Gehölze – Stadtbaum

Armer Stadtbaum

Autor: Gregor Dietrich

Wohl kaum ein grünes Thema wird so emotional diskutiert wie die Straßenbäume.

Um Stadtbäume wird seitens der Bevölkerung mit Eifer gekämpft. Starker Baumschnitt läßt bei den zuständigen Stellen die Telefone heißlaufen, Fällungen führen rasch zu Protestaktionen. Oft sind sie unberechtigt, aber durchaus nicht immer. Manche Baumschnittmaßnahmen sind wirklich sehr brutal. Fällungen werden hingegen selten unnötigerweise durchgeführt. Auch ist es nicht immer sinnvoll, einen alten, verletzten Baum zu sanieren, wenn ein junger schneller und besser seine Funktion erfüllt. Soll z.B. eine Feuermauer abgedeckt werden, so führt ein junger, kräftig wachsender Baum schneller zum Erfolg als wenn ein alter beschädigter Baum soweit saniert wird, daß er wieder groß und dicht genug werden kann. Wo der Baum keine Deckungsfunktion hat, ist es dagegen oft besser, einen alten Baum zu sanieren. Zwar ist das teurer, aber alte Bäume waren schon immer Symbol des Lebens und werden von uns als etwas besonderes und esthetisches empfunden. Aber trotzdem ist es nicht immer möglich. Weichhölzer, wie Weiden oder Pappeln, können schon in gesundem Zustand bei heftigem Wind leicht Äste verlieren und dadurch eine Gefahr darstellen. In Deutschland werden nach einer Flut von Klagen wegen Schäden durch herabfallende Äste kaum mehr Pappeln gepflanzt. Bei alten Bäumen, vor allem wenn sie durch verschiedene Pilze teilweise morsch sind, ist Astbruch auch bei Harthölzern häufig und stellt durch das höhere Gewicht der Äste auch eine höhere Gefahr dar. Alte Bäume wie Weichhölzer erfordern daher einen höheren Pflegeaufwand, sind also teurer.

Ein großes Problem sind Bauarbeiten. Selten werden in die Planungen vorbeugende Maßnahmen zum Erhalt von Altbäumen miteinbezogen. Um die Beeinträchtigungen durch Bautätigkeit gesund zu überstehen müßte schon ein Jahr vor Baubeginn mit begleitenden Maßnahmen begonnen werden. Sanfter Rückschnitt etwa, um die Krone zu verkleinern, ohne große Wunden zu verursachen. Der Verlauf des Wurzelsystems muß berücksichtigt werden. Gerade in der Stadt sind die Wurzeln nicht gleichmäßig entwickelt. Wo der Boden lockerer ist, etwa entlang früherer Grabungen, werden sie sich bevorzugt entwickeln.

Heimisches oder Exoten?

Die verwendeten Baumarten werden zunehmend auch kontroversiell diskutiert. Heimische Bäume werden von der „Öko-„Fraktion gefordert, Exoten werden von Planern bevorzugt. Nahrung für die heimische Tierwelt wollen die Einen, die Stadt sei eben keine Wildnis und es komme nur Ungeziefer, meinen die Anderen. Exoten böten heimischen Schädlingen keine Nahrung seien daher wegen weniger Pestizideinsatz umweltfreundlicher. Pestizide werden aber bei uns sowieso kaum verwendet. Auch seien heimische Bäume dem Stadtklima nicht gewachsen. Das trifft zwar auf die meisten heimischen Arten zu, gilt aber auch für die Mehrzahl der Exoten. Andererseits bringen Exoten oft gravierende Probleme für heimische Ökosysteme mit sich, vor allem wenn sie der menschlichen Obhut entkommen. Ich finde, gerade weil die Stadt keine Wildnis ist, sollten durch heimische Bäume kleine Inseln des Lebens geschaffen werden. Eine ausgewogene Verwendung heimischer und exotischer Arten unter Ausschluß unserer Natur gefährlich werdender Arten erscheint mir am sinnvollsten.

Standortfaktoren

Nun, die richtige Wahl ist tatsächlich nicht leicht, da die Standortsansprüche sehr extrem sind: Schadstoffe, Hitze, Trockenheit und Bodenverdichtung kennzeichnen den Lebensraum eines Stadtbaumes und schränken die Auswahl verwendbarer heimischer Arten drastisch ein. Daher wurden früher verstärkt Exoten aus trockenheißen Gebieten versucht. Doch die Bodenverdichtung stellte sich als weitaus wichtigerer Faktor heraus, aber sie kommt natürlicherweise nur in Feuchtgebieten vor. Interessanterweise sind viele der Arten aus dem Überschwemmungsbereich der Flüsse erstaunlich trockenheitsresistent. Das mag daher kommen, daß sie bei Überschwemmungen im verdichteten Boden Probleme mit der Wasseraufnahme bekommen können. Andererseits handelt es sich teilweise um Bäume mit geringer Konkurrenzkraft, die vermehrt dort auftreten, wo andere Bäume keine idealen Bedingungen finden, seien es nun Überschwemmungsgebiete oder trockene Felsbereiche. Also sind Aubäume recht häufig im Sortiment der Stadtbäume.

Durch den Streß, dem Bäume durch die Standortsbedingungen ausgesetzt sind, werden sie anfälliger gegen Schädlinge und Krankheiten. Diese haben in der ausgeräumten Stadtlandschaft mehr Chancen als ihre Antagonisten, die Nützlinge, die höhere Ansprüche an den Lebensraum stellen. Exotische Bäume sind bei richtiger Auswahl für unsere Insekten ungenießbar. Wenn dann aber ein Schädling eingeführt wird – und das passiert beim internationalen Verkehr sicher irgendwann – und er sich akklimatisieren kann, so kommt es durch fehlende Antagonisten zur Massenvermehrung. Ganze Alleen können dadurch zerstört werden. Daher ist eines wichtig: Vielfalt. Wenn verschiedenste Arten, heimische wie Exoten, gepflanzt werden, wird die Ausbreitung der Schädlinge einer der Arten gebremst und außerdem wird der Baumbestand durch Epidemien nicht so stark getroffen, als wenn nur wenige Arten den gesamten Baumbestand bilden. Es ergibt sich dadurch ein bunteres Stadtbild, wobei aber Straßenzüge eher einheitlich bepflanzt werden sollten, sonst wird das Bild zu unruhig. Heimische Arten sind unbedingt auch zu berücksichtigen.

Auswahlkriterien

Auch darf man das Ziel der Bepflanzung nicht vergessen. Barcelona beispielsweise ist die Stadt der Platanen und gilt daher als angenehm kühl für eine mediterrane Stadt. Die Platane (Platanus x hispanica) ist eine Hybride unbekannter Herkunft, und hat sich durch besondere Stadtfestigkeit und eine recht hohe Verdunstungs- und Luftreinigungsrate als sehr günstig für das Stadtklima erwiesen. Die Gleditschie (Gleditsia triacanthos) hingegen verdunstet wenig Wasser, kühlt daher auch kaum und ist in ihrer Wildform noch durch wenig dichte Schirmkronen gekennzeichnet, die kaum Schatten spenden. Große versiegelte Flächen, wie sie auf breiten Einkaufsstraßen zu finden sind, heizen die Luft im Sommer ordentlich auf. Will man Kühlung erreichen, so ist die Platane der Baum der Wahl, Hitzeanbeter werden sich für die Gleditschie entscheiden. Während in Spanien Kühlung gewünscht wird, bevorzugt man im Nordosten der USA die Gleditschie. In Wien wird die Gleditschie zum Ärger vieler Schattbäume bevorzugender AnrainerInnen, aber als Kompromiß mit den Geschäftsleuten in Einkaufsstraßen verwendet. Geschäftsleute wollen ihre bunten Werbeschilder nicht von Bäumen verdeckt wissen. Gleditschien wachsen locker genug, daß die Schilder weithin sichtbar bleiben.

Schadbäume?

Trotzdem Vielfalt etwas positives ist, sollte man auf gewisse Bäume verzichten, die der heimischen Tier- und Pflanzenwelt großen Schaden zufügen. Schadholz Nummer eins ist die Robinie (Robinia pseudacacia), fälschlich Akazie genannt. Der nordamerikanische Baum hat gleich mehrere unangenehme Eigenschaften. Die große Trockenheits- wie Wechselnässetoleranz und ein auch an extrem flachgründigen Standorten halt bietendes Wurzelsystem ermöglichen die Besiedelung von Standorten, an denen heimische Baumarten versagen (Felsrasen) oder sehr spezialisierte Waldgesellschaften bilden (Au-, Eichen- und Föhrenwälder). Wie alle Schmetterlingsblütler lebt die Robinie in Symbiose mit stickstoffbindenden Knöllchenbakterien. Sie ist da allerdings besonders effizient. Die gewaltigen Stickstoffmengen können von ihr selbst nicht verbraucht werden und werden zur chemischen Keule gegen andere Pflanzen verwendet.

Schleichender Tod

Durch Wurzelausläufer werden rasch neue Standorte erobert, bevor heimische Arten aus Samen nachwachsen können. Die Robinie zerstört so gefährdete Lebensräume wie Trockenrasen mit spezialisierten, sonnenhungrigen Arten schon durch Beschattung, die Überdüngung läßt nurmehr wenigen Arten Raum: Brennessel, Schöllkraut, Klettlabkraut, Eichenlattich, an trockenen Stellen auch Osterluzei. Andere Bäume, vor allem Eichen, können durch die Überdüngung ihr Wachstum nicht zeitgerecht abschließen und werden frostanfällig. Schädlinge und Krankheiten haben so auch leichtes Spiel. Und bevor Sämlinge eine sterbenden Baum ersetzen hat sich die Robinie mit ihren Ausläufern schon den Standort erobert. Durch diese Ausläufer können Robinienbestände auch nicht mehr gerodet werden, denn noch drei Jahre nach der Rodung erscheint auch bei sorgfältiger Vernichtung aller aufkommenden Pflänzchen noch Wurzelbrut. Für Pflanzungen des sehr schönen Baumes im urbanen Raum, wo sich Wurzelbrut nicht ausbreiten kann, oder an zu befestigenden Böschungen, wo die Robinie mitunter nicht nur hilfreich sondern letzte Möglichkeit sein kann, sollten nurmehr samensterile Sorten zugelassen werden. Deren Züchtung wäre kein Problem. Die Robinie ist eines der größten Probleme im Naturschutz und weitaus gefährlicher für den Naturhaushalt als Umweltgifte. Robinien zu bekämpfen und ein Verbot von Neupflanzungen fertiler Sorten zu erreichen muß vordringliches Ziel umweltbewußter Menschen werden!

Verhungern am gedeckten Tisch?

Reichblühende, angenehm duftende Stadtbäume für etwas schattigere Straßenzüge sind die Linden. Etwas trockenheitsresistenter als die heimischen Arten ist die Silber-Linde (Tilia tomentosa). Sie hat nach alten Theorien aber einen gravierenden Nachteil: Ihr Nektar enthält Mannose, einen für unsere Hummeln und die meisten heimischen Bienenarten unverdaulichen Zucker. Die Tiere fressen und fressen – und verhungern dennoch. Vor allem dort, wo Stadtgärtner auf die Bestäubung ihres Fruchtgemüses hoffen, ist der Verlust auch ein wirtschaftlicher. Kluge Vorschläge, man müsse nur genügend andere Nektarblumen in die Umgebung pflanzen, zeugen von geringer Kenntnis der Biologie der Tiere. Bienen und Hummeln probieren in den ersten Lebenstagen im Freien verschiedene Blumen aus. Haben sie erst einmal eine Art gefunden, in der sie regelmäßig Nektar finden, so bleiben sie dieser treu, bis sie verblüht ist, oder das Tier stirbt. Wie soll eine Biene bei vollem Bauch auch merken, daß sie verhungert? Ihre Schwächung auf die Nahrungsmittelwahl zurückzuführen sind die Tiere nicht hoch genug entwickelt.

Allerdings besagen neuere Theorien, daß tote Hummeln unter Silber-Linden nur darauf zurückzuführen seien, daß schon zuvor Futtermangel herrsche, und die Tiere die rettende Futterquelle Linde nur zu spät erreichen. Es wird sogar empfohlen, deswegen mehr dieser Bäume zu pflanzen.
Sei es wie es sei: Es sollten andere Trachtpflanzen gepflanzt werden. Die Pflanzung von Silber-Linden kann aus Naturschutzgründen keineswegs beführwortet werden! Die Art hybridisiert mit den heimischen Arten, die durch Zerstörung der primären Lebensräume und die Vermischung als Kulturbäume bzw. durch zu nahe Pflanzung an Wildbeständen der anderen Art sowieso schon unter massivem Introgressionsdruck leiden.

Durch seine hohe Fruchtbarkeit und Tendenz baumfreie, gefährdete Lebensräume wie Trocken- und Halbtrockenrasen mittels Ausläufern rasch zu erobern ist auch der Götterbaum (Ailanthus altissima) eher zu den Unhölzern zu zählen.