Botanik – Namensgebung

Was sagen wissenschaftliche Namen aus?

Autor: Gregor Dietrich

Für viele sind sie ein Ärgernis, zur internationalen Verständigung sind sie notwendig. Was sie bedeuten und warum sie sich ändern wird in diesem Beitrag erklärt.

Carl Linnaeus, der große schwedische Naturforscher, hatte eine Vision. Die Welt mußte doch so eingeteilt werden können, daß alle Gelehrten von den selben Objekten sprachen, wenn sie den selben Namen gebrauchten. Oder nicht vom selben Objekt sprachen, ohne es zu wissen, weil sie verschiedene Namen gebrauchten. Diesen Gedanken hatten schon viele vor ihm, die versuchten, ihre Objekte so detailgetreu zu beschreiben, daß sie unverwechselbar waren. Endlos scheinende Namenswürste, wie Caryophyllus plenus purpurascens punctatis et laciniatis folis (Gefüllte Gartennelke mit purpurn gefleckten und geschlitzten [Blüten-] Blättern), waren die Folge. Linnaeus war der Meinung, zwei lateinische oder latinisierte Worte müßten ausreichen, wenn in einer Art Namensregister die genauen Beschreibungen dazu gesammelt würden. Das erste der beiden Wörter gibt die Gattung an, in die eine Art gehört, das zweite bezeichnet die genaue Art. Diese sogenannte binäre Nomenklatur hat sich für alle Lebewesen durchgesetzt. Nur die Mineralien und andere chemische Reinstoffe werden heute mit der chemischen Formel beschrieben, für Gesteine gibt es keine Nomenklatur. Linnaeus wurde für sein Wirken geadelt und durfte sich fortan LINNÉ nennen.

Regeln

Seit Linné ist viel Zeit vergangen und die Nomenklaturregeln wurden verfeinert und den auftauchenden Problemen angepaßt. Damit wirklich international Eindeutigkeit besteht, muß es bestimmte Regeln geben. Der erste regelkonform publizierte Name gilt. Es kann aber passieren, daß plötzlich ein älterer Name gefunden wird, der bisher übersehen wurde. Dann gilt dieser, und wir haben es mit einer nomenklatorischen Namensänderung zu tun. Nun sind Namensänderungen klarerweise unbeliebt, und sie sollen durch die Nomenklaturregeln ja auch verhindert werden, darum gibt es die Möglichkeit die internationale Nomenklaturkommission anzurufen und einen Namen konservieren zu lassen. Ein Beispiel ist die Schneeheide. Erica herbacea wäre ihr gültiger Name gewesen. Da aber Erica carnea viel geläufiger war, entschied die Kommission zugunsten dieses Namens, der damit jetzt richtig und gültig ist. Auch ein Verzeichnis der Beschreibungen, wie Linnés Systema Naturae gibt es nicht mehr, stattdessen müssen Erstbeschreibungen veröffentlicht und Herbartypen hinterlegt werden.

Systematik

Eine andere Form der Namensänderung ist die systematische. Beispielsweise hießen bei Linné alle kleinen Bartschwertlilien Iris pumila. Spätere Botaniker bemerkten jedoch, daß es sich um mehrere Arten handelte. Iris chamaeiris wurde die zweite von Linné I. pumila bezeichnete Art genannt. Wir haben hier auch gleich ein Beispiel einer anderen systematischen Namensänderung: Inzwischen wurde nämlich I. lutescens beschrieben. Diese stellte sich als die selbe Art wie I. chamaeiris heraus und als jüngerer Name ist I. chamaeiris somit ungültig.

Binäre Nomenklatur

Doch schauen wir uns einmal an, wie so ein wissenschaftlicher Name aufgebaut ist. Ein gebräuchlicher, wenn auch nicht richtiger Name ist Crocus vernus (L.) HILL. Diese gesamte Bezeichnung ist der Artname. Er besteht aus dem Gattungsnamen Crocus und dem Artepitheton (nicht Artnamen!) vernus. Oft angefügt wird die Autorenbezeichnung, hier (L.) HILL. Die Gattung umfaßt ein oder mehrere enger verwandte Arten, die durch die zusätzliche Artbezeichnung unterschieden werden. Das Epitheton vernus bedeutet Frühling. Es handelt sich also um eine frühlingsblühende Art. Kein gutes Merkmal, da ca. die Hälfte der Safran-Arten Frühjahrsblüher sind. Die Autorenbezeichnung ist nicht Teil des vollständigen Namens, ist aber für Systematiker mitunter interessant, für den sonstigen Gebrauch aber nicht.

Autoren

Der Klammerautor, im vorliegenden Fall Linné (L.), hat das Epitheton vernus für die bezeichnete Pflanze erstmals verwendet, allerdings in einer heute nicht mehr gültigen Form (Crocus sativus var. vernus), HILL erhob die Varietät demzufolge zur Art und begründete damit den heute gültigen Namen. Ein Klammerautor kann in der Botanik niemals alleine hinter den Epitheta stehen. Haben zwei oder mehrere Autoren eine Art beschrieben, werden sie durch et bzw. & getrennt. Wurde ein Artname zweimal vergeben, so kann nur einer gültig sein. Darauf kann dann durch die zusätzliche Angabe, welcher Autor nicht gemeint ist, hingwiesen werden. So beschrieb HEUFFEL einen frühlingsblühenden Crocus banaticus. Dieser Name war aber schon vergeben, daher kann jener spätsommer- bis herbstblühende Safran mit Crocus banaticus GAY non HEUFF. bezeichnet werden. Ebenso kann, muß aber nicht darauf hingewiesen werden, wenn eine Artbeschreibung nicht auf dem Mist des Autors gewachsen ist. SCHULTES beschrieb in seiner Österreichflora Crocus albiflorus SCHULT. Dieser Artname ist gültig. Da ihm die Beschreibung nach eigenen Angaben aber vom ungarischen Botaniker KITAIBELIUS übermittelt wurde, ist auch die Schreibweise Crocus albiflorus KIT. EX SCHULT. (KITAIBEL nach SCHULTES) richtig.

Gerade aber das Beispiel von Crocus vernus zeigt jedoch, daß die Angabe des Autors nichts über die Richtigkeit aussagt, vielmehr ist es sinnvoller anzugeben, womit eine Art bestimmt wurde. Bestimmen wir einen Safran aus dem Schloßpark von Rotenturm im Burgenland und einen aus dem kleinen Erlauftal in Niederösterreich mit der Flora Europaea, so werden wir sie als Crocus vernus bestimmen. Verwenden wir die Flora von Österreich, so heißt ersterer C. heuffelianus, letzterer C. napolitanus. Matthew, Autor des Crocus-Schlüssels in der Flora Europaea, hielt beide Arten für zu C. vernus gehörig. Er hatte aber ebenfalls eine ganz andere Auffassung der Art als Linné oder Hill, die sämtliche ihnen bekannten frühlingsblühenden Sippen der Gattung im heutigen Umfang dazurechneten, also auch z.B. C. chrysanthus.

Gattungsnamen

Gattungen wurden von Linné gerne nach Kollegen oder mythologischen Gestalten benannt, aber auch altrömische oder altgriechische Namen wurden übernommen. Später kam noch hinzu, ähnliche Pflanzen mit umgestellten Namen zu benennen. Die Wasserpflanzengattung Potamogeton war Vorbild für Aponogeton. Auch Eingeborenennamen wurden übernommen, etc. Gattungsnamen sind jedenfalls selten beschreibende Namen, wie beim Wasserkelch, Cryptocoryne = versteckte Kanzel, was sich auf die Form des Blütenstandes bezieht. Auch dieses Beispiel zeigt eines sehr schön: "lateinische Namen" sind sehr oft latinisiertes Griechisch.

Artepitheta

Die zusätzlichen Artbezeichnungen sind meistens tatsächlich Latein und sehr oft Merkmale oder den Standort beschreibend. Einige häufige Bezeichnungen werden gerne verwechselt. So bedeutet humilis niedrig, bezieht sich also nur auf die Wuchshöhe, pumilus dagegen heißt zwergig und meint alle Teile der Pflanze. Zu vielen Fehlern haben die Bezeichnungen sylvestris (wild) und sylvaticus (aus dem Wald) geführt. Auch die Schreibweisen können verschieden sein, es kann nämlich ein i statt einem y stehen, je nachdem ob die Schreibweise alt- oder neulatein ist. Gültig ist die Schreibweise, die der Erstautor gewählt hat, also bei jeder Art eine andere. Aber auch falsche deutsche Namen leiten sich davon ab. So wird Die Steppenanemone (Anemone sylvestris) fälschlich auch Waldanemone genannt, obwohl sie vollsonnige Standorte benötigt.

Neulich mußte ich mir anhören, der Südliche Zürgelbaum (Celtis australis) stamme aus Australien. Falsch. Er kommt aus Südeuropa. Australis heißt nichts anderes als südlich, Australien ist ganz einfach das Land im Süden. Nicht verwechseln sollte man auch carinthiacus (kärntnerisch, im historischen Sinn), carnicus (karnisch: Teil Friauls südl. der karnischen Alpen), carniolicus (krainisch: Teil Sloweniens) und carneus (fleischfarben).
Natürlich gibt es auch Artepitheta nach berühmten Botanikern. So können einander auch zwei Botaniker in einer Art begegnen, etwa bei Baxters Banksie (Banksia baxteri).

Nicht alle Wissenschaftlichen Namen sind auch wahr: Scilla peruviana stammt aus Spanien, das Schiff, mit dem sie zu Linné gelangten, hieß Peru. Prunus persica, der Pfirsich, kam über Persien aus China. Unsere Erika ist weder krautig (herbacea) noch blüht die Wildform fleischfarben (carnea), sie ist ein purpurn blühender Zwergstrauch.

Schließlich noch eine Bemerkung zum Geschlecht: Die Artepitheta werden im Geschlecht an die Gattung angepaßt. Nur Bäume haben immer eine weibliche Endung. Bei Bäumen ist der Gattungsname, auch wenn die Endung anderes aussagt, immer weiblich.

Aus: Garten 3/99