Autor: Gregor Dietrich
Jedes Jahr ab etwa Mitte September können wir wieder überall Blumenzwiebeln erwerben. Bis in den November hinein werden sie angeboten. Und oft ist dann die Enttäuschung groß, wenn im nächsten Jahr nichts kommt. Denn man geht bei der herbstlichen Pflanzzeit davon aus, daß die Zwiebeln im Winter ruhen und erst im Frühjahr austreiben. Das stimmt nicht. Der Winter ist eine wichtige Wuchsperiode.
Die wahre Ruhepause ist im Sommer. Sobald die Blätter abtrocknen, sterben meist auch die Wurzeln ab. Die Zwiebel oder Knolle liegt jetzt trocken, ohne Wachstum, Wasser- und Nährstoffaufnahme da und zehrt nur von ihren Reserven. Solange eine Zwiebel oder Knolle trocken ist, wähnt sie sich in sommerlicher Ruheperiode und kann keine „Frostschutzmittel“ produzieren. Bei zu später Pflanzung erfriert sie daher, als wäre sie ein exotisches Gewächs. Erst wenn das Wurzelwachstum einsetzt, wird wieder Wasser aufgenommen. Dann ist die Pflanze voll funktionsfähig und kann ihren Stoffwechsel niedrigen Temperaturen anpassen.
Der Zeitpunkt des Endes der Sommerruhe richtet sich nach den Umweltbedingungen in den Heimatgebieten der Pflanzen. Das heißt aber nicht, daß die Wurzeln zu wachsen beginnen, sobald die sommerliche Trockenheit durch die ersten Herbstregen beendet wird. Oft wirken zwar auch äußere Taktgeber, aber die „Innere Uhr“ ist sehr wesentlich. In unsicheren Klimata werden die Wurzeln später gebildet, in sichereren mitunter oft schon vor den ersten Regen. Oft erscheinen auch die Blüten vor der Vegetationsperiode (Herbstzeitlose, Eidechsenwurz). Es gibt also oft eine innere Uhr, die den Rhythmus angibt. Diese bleibt auch im Garten erhalten und betrifft auch die gehandelten Knollen und Zwiebeln.
Oft sieht man schon Wurzeln austreiben. Pflanzt man bei schon entwickelten Wurzeln, so werden die Pflanzen mitunter sehr geschwächt. Die meisten Zwiebelpflanzen haben nämlich unverzweigte Wurzeln. Bricht nur die Spitze, so ist die ganze Wurzel kaputt. Da die angelegten Wurzeln fast gleichzeitig austreiben, wird oft das ganze Wurzelsystem eines Jahres zerstört. Die Pflanzen wachsen zwar weiter, zehren jedoch ausschließlich von ihren Reserven. Es dauert relativ lange, bis Ersatzwurzeln angelegt werden. Pflanzt man früh, dann geschieht das in zwei bis drei Wochen. Bei später Pflanzung verhindert die Kälte eine rasche Neubildung, die dann oft erst im Frühling, manchmal gar erst zur Blütezeit erfolgen kann. Solche Zwiebeln werden für das nächste Jahr kaum Reserven anlegen können und im Folgejahr mit der Blüte pausieren.
Wenn man den Wachstumsrythmus so mancher Gartenblume näher betrachtet, wird man erfahren, daß viele Zwiebeln ohnehin schon zu spät in den Handel kommen. Die Ruhezeit der Kaiserkrone (Fritillaria imperialis) dauert von Ende Mai bis Anfang August. Bereits Mitte August will sie wieder Wurzeln treiben. Alle unsere Frühjahrsblühenden können aber problemlos bis Ende September gepflanzt werden. Danach sollte das nurmehr in Ausnahmefällen geschehen und jedenfalls gut angegossen werden, um eine raschere Bewurzelung zu ermöglichen.
Besonderes Augenmerk sollte man auch der Qualität der gekauften Ruheorgane schenken: Sie sollen sich fest angreifen. Faulstellen sind selten, aber durch unsachgemäße Lagerung, etwa direkt neben Warmluftgebläsen in Kaufhauseingängen, werden Zwiebeln und Knollen durch übermäßigen Wasserverlust weich. Der Wechsel zwischen kalter Luft tagsüber an Ständern vor dem Geschäft und geheizter Lufts nachts drinnen verleidet manchen Pflanzen das Austreiben. Über die Wirkung von Frost auf trockene Organe habe ich ja bereits oben berichtet. Also sollten die Überdauerungsorgane möglichst bald nach der Lieferung gekauft werden und so schnell wie möglich in die Erde. Ist eine Lagerung nötig, so soll diese kühl bis mäßig warm (5-18°C), bei nicht zu hoher Luftfeuchtigkeit aber auch nicht bei ganz trockener Luft erfolgen.