Autor: Steffen Reichel
Es tritt immer wieder auf, die Ursache sind zumeist nicht klar und Abhilfe findet sich kaum. Regelmäßig kommt es vor, daß Citrus-Pflanzen im Winterquartier unter massivem Blattfall leiden, bis hin zur kompletten Entlaubung. Viele Bücher verharmlosen dies, ohne die Ursache zu beleuchten.
Mir war dies zu vage und suspekt, so habe ich mich aufgemacht, die Ursachen für den winterlichen Blattfall zu untersuchen und dessen Ursache zu klären. Über diesen Weg wollte ich dann auch Abhilfe schaffen, denn mir ahnte, daß ein Blattfall in dieser Menge alles andere als harmlos ist.
Unterstützt von der University of Florida und dem US Dept. of Agriculture, Horticultural Research Laboratory, Section Citriculture in Florida machte ich mich also auf eine kleine Fensterbank Forschung, deren Ergebnisse hier nun dargestellt werden sollen.
Diese Ergebnisse sind bestätigt worden und wurden auch in einer Ausgabe des renommierten Magazins der California Rare Fruit Grower’s Inc. publiziert.
Aufgrund der englischen Vorgeschichte und Korrespondenz wurde das Phänomen kurz WinterLeafDrop, abgekürzt WLD genannt.
Im Winter entdecken viele Leute mit Schrecken Problemen mit Laubabwurf an deren Citrus-Pflanzen. Dies tritt selten in den Gewächshäusern der Verkaufs-Betriebe auf, noch ist es aus Orangerien bekannt, jedoch in vielen Umgebungen von Citrus Besitzern, die diese Pflanzen als Kübel- und Topfpflanze kultivieren.
Die Pflanzen stehen zumeist im Sommer über im Freien, gedeihen meist gut und werden vor den ersten Frösten ins Winterquartier eingeräumt. Dies geschied. um die Pflanzen vor Frost und übermäßiger Kälte zu schützen.
Ursachen von WLD
Zumeist erfolgt dies nach der üblichen Empfehlung, die da lautet: Kalt und hell überwintern. Dies wird meist interpretiert, in vielen Büchern auch so dargestellt, als daß die Pflanzen so viel Licht wie möglich bekommen sollen, die Erde sollte feucht, aber nicht nass sein und die Erde sollte besser und gründlicher abtrocknen als im Sommer. Die Pflanzen sollten dann bei Temperaturen zwischen 5-10° C gehalten werden.
Die meisten die nach obiger Empfehlung die Pflanzen aufgestellt haben und keine Probleme erfahren haben, dürfen sich glücklich schätzen. Denn zumeist kommt es just unter diesen Umständen zu massiven Problemen mit winterlichem Blattfall.
Die Pflanzen beginnen erst leicht Blatt zu verlieren, doch mehr und mehr kann sich dieses Symptom verstärken und viele Pflanzen sind schon Ausgangs des Winters völlig Blattlos. Oft wird dieses Symptom verstärkt, indem junge Zweige von der Spitze her zurück trocknen und verbräunen, ja in schlimmen Fällen wurde auch schon von Fruchtabwurf berichtet.
Der Blattabwurf erfolgt oft zwischen dem Blattstiel und der eigentlichen Blattspreite, was von vielen Experten als Stress-Symptom gewertet wird.
Die abgeworfenen Blätter zeigen keine Verfärbung oder Chlorose, sondern sind oft voll ergrünt und ohne andere Schäden. auch Schädlinge, wie z.B. Spinnmilben die bei Citrus oft für Blattfall verantwortlich sind, können nicht ausgemacht werden.
So ging man lange Zeit in Deutschland davon aus, daß der Winterliche Blattfall (WLD) durch zu wenig Licht ausgelöst wurde und man empfahl, die Pflanzen noch heller zu stellen oder sogar extra zu beleuchten. Doch oft führte gerade die Extra-Beleuchtung zu einer Verschlimmerung des Problems und der Blattfall verstärkte sich, anstelle geringer zu werden. Auch konnt ermittelt werden, daß nach den sonnigen, klaren Wintertagen der Blattfall stärker war, als an bedecken, trüben Tagen.
Um nun der Ursache des Winterlichen Blattfalls auf den Grund zu gehen wurden fünf Zitronen-Sämlinge der Sorte ‚Primofiori‘ herangezogen und mit bei einer höhe von 30 cm in verschiedenen Umgebungen im Winter platziert und kultiviert. Alle Pflanzen standen in identischen Töpfen und in identischer Erde und hatten den Sommer über am gleichen Standort unter gleichen Bedingungen gestanden.
Folgende Umgebungen wurden dafür ausgewählt:
- – Der erste Sämling wurde in einem ungeheizten Raum mit einem Fenster nach Süden aufgestellt. Die Temperaturen stiegen dort nicht über 10° C, wurden aber selten kühler als 6° C, ausser in sternklaren Nächten wo die Temperatur auch ab und an den Gefrierpunkt fast erreichte.
- – Der zweite Sämling kam in einen gleichen Raum, nur an das Nordfenster.
Die Temperaturen waren hier meist etwas tiefer, erreichten daher die 10° C seltener, aber auch hier wurden Temperaturen von 0° C nur selten fast erreicht. - – Der dritte Sämling kam in einen temperierten Raum mit 15° C Raumtemperatur, der fast konstant in der Temperatur blieb. Es war dort ein Ostfenster mit Morgensonne vorhanden.
- – Der vierte Sämling wurde in einem ebenfalls temperierten Zimmer bei ca. 15° C aufgestellt, nur das es hier ein Süd-Westfenster gab, und die Pflanze daher einen eher vollsonnigen Standort hatte.
- – Der fünfte Sämling wurde nun in einen warmen Raum an ein südseitiges Fenster mit Zusatzbeleuchtung gestellt. Die Temperatur betrug nachts dort um die 18° C, tagsüber zwischen 20° C und 21° C. die Pflanze stand über einem Heizkörper auf einer Isoliermatte gegen zu warme Wurzelbedingungen.
Alle Pflanzen wurden bewässert, wenn es unbedingt notwendig wurde, und zumeist nur soviel, wie ausreichte, den Wurzelballen zu durchfeuchten. Gedüngt wurde gar nicht, mit Ausnahme des fünften Sämlings, der etwas mehr gegossen wurde und auch ab und an etwas Dünger bekam.
Nach der Überwinterung konnte festgestellt werden, daß der erste Sämling nahezu alle Blätter verloren hatte, der zweite Sämling nur ein paar wenige, der vierte Sämling hatte ebenfalls viele Blätter verloren, zwar nicht so massiv wie der erste, doch deutlich mehr als der zweite. Der Dritte und fünfte Sämling hingegen hatten kaum Blätter verloren, nur so um die vier bis fünf.
Da der Blattfall an den Vollsonnigen Standorten im Vergleich höher war, als an den mit weniger Licht, konnte Licht als den Blattfall verursachenden Faktor ausgeschlossen werden.
Nach einer langen Diskussion mit den Spezialisten in den USA und Israel konnte die Temperatur als wahrscheinlichste Ursache für WLD festgemacht werden. Die Angaben zur Temperatur im Buch ‚Citrus Biology‘ aus dem Verlag Cambridge University Press der Autoren Spiegel-Roy und Goldschmidt geben an, daß Citrus bei Temperaturen unter 12,5° C das Wachstum einstellt und damit auch die Wurzelaktivität fast vollständig zum erliegen kommt. Die Aktivität der Blattmasse wird bereits reduziert, wenn die Lufttemperatur unter 18° C fällt. Dabei meint Aktivität der Blattmasse den vollständigen Prozess der Wasserverdunstung zur Kühlung der Blattspreite, Photosynthese und Respiration. Dabei wird die Temperatur der Blattspreite zumeist über die Wasserverdunstung geregelt, so daß die Temperatur der Blattoberfläche selbst an heißen Tagen in den amerikanischen Wüstengebieten nicht über 35° C steigt. Die Temperatur fällt in den Anbaugebieten auch selten unter 25°C, so daß Temperaturen von 25° C bis 35° C als Optimal-Temperatur für das Laubwerk bei Citrus angenommen werden können.
Doch auch an kühlen und kalten Tagen bewirkt das Sonnenlicht, daß sich die Blätter im Licht rasch erwärmen und so den für eine Aktivität kritischen Wert von 12,5° C übersteigen.
Die Photosynthese selbst arbeitet besser, wenn die Luft kühle ist, da nun weniger Wasser verdunstet werden muß, und die Energieausbeute damit wesentlich gesteigert werden kann. (vgl. Biology of Citrus und Citrus – Crop Production Science in Horticulture Vol. 2) So konnte ermittelt werden, daß die Photosynthese bei Citrus in den kühleren Morgenstunden besser war, als an den heißen Mittags- und Nachmittagszeiten bei ungefähr gleichen Lichtbedingungen. Daher ist die meiste Zuckerproduktion der Photosynthese auch eher in den Morgenstunden vor Mittag ermittelt worden und es wurde weniger Wasser während des Vormittags verdunstet. Die für Photosynthese optimale Blatttemperatur hingegen ist biologisch zwischen 10° C und 32° C ermittelt worden. Photosynthese benötigt in Luft gelöstes Kohlenstoffdioxid, welches mit Licht zu Glucose und Wasser transformiert wird, dabei wird Sauerstoff freigesetzt. Während des ganzen Tages, aber auch während der Nacht wird die Glucose oxidiert, wodurch Sauerstoff aus der Luft aufgenommen, aber Kohlenstoffdioxid frei wird. Die Energie die dadurch frei wird, benutzt die Pflanze zusammen mit Nährstoffen im Wasserstrom der Leitungsbahnen zur Pflanzenentwicklung in allen Formen. Dabei wird durch die Photosynthese meist mehr Sauerstoff erzeugt, als die Respiration an Kohlenstoffdioxid freisetzt. Diesen Vorgang versteht man als Atmung der Pflanzen.
Für das Pflanzenwachstum müssen Nährstoffe im Leitungsbahnstrom, gelöst in Wasser von den Wurzeln aufgenommen werden. Die Wurzeln müssen aber auch das nötige Wasser für die Photosynthese und Transpiration aufnehmen. Kohlenstoffdioxid und Sauerstoff sind in der Umgebungsluft enthalten und werden über die Blätter aufgenommen und zu geringen Teilen auf über die anderen grünen Teile der Citrus-Pflanze, hier herrscht kein ein Mangel.
So muß zwischen Blattaktivität und Wurzelaktivität eine gewisse Balance herrschen, um optimale Pflanzenfunktion und Pflanzenleben zu ermöglichen. Nur so ist Wachstum, Blüte und Fruchtbildung gewährleistet.
Stellt man nun eine Citruspflanze bei Temperaturen unter 12° C auf, die Pflanze kann aber genügend Licht zur vollständigen Photosynthese erreichen, so wird diese Balance gebrochen. Denn Photosynthese benötigt Wasser, und je mehr Licht, desto mehr Wasser wird benötigt, welches die kalten und damit inaktiven Wurzeln kaum liefern können.
Da nun je mehr Licht die Blätter trifft, sich auch die Blattoberfläche erwärmt, sind rasch für die Photosynthese optimalen Temperaturen erreicht, die Pflanze müßte sogar Transpirieren um die Blattoberfläche zu kühlen. Mit steigendem Licht steigt daher der Wasserbedarf in der Krone, jedoch bleibt er bei kühlen Wurzeln gering bis mangelhaft, so daß die Unausgeglichenheit zwischen Wurzelaktivität und Blattaktivität weiter zunimmt. Dies führt zu einem Wasserstress im Kronenbereich, welcher die Pflanze mit Reduzierung der Verdunstungsoberfläche und aktiven Photosyntheseoberfläche begegnet, um Wasserbedarf und Wasseraufnahme zurück in Balance zu bringen. Die Pflanze beginnt Blätter abzuwerfen.
Dies erscheint die plausibelste und biologisch belegbarste Ursache für den Winterlichen Blattfall zu sein.
Teilweise oder komplette Entlaubung war selten ein Problem bei Pflanzen auf egal welcher Veredelungunterlage, wenn der Wurzelballen recht trocken gehalten wurde, aber sollte der Ballen zu feucht gehalten worden sein, Wurzelfäulnis war oft die Folge, selbst auf der höchst toleranten Poncirus trifoliata als Veredelungsunterlage. die meisten Pflanzen erholten sich aber im Frühjahr wieder und zeigten eine extrem heftige Blütenbildung, sofern die Wurzeln gesund waren.
Leider zeigte sich doch, daß beim Neuaustrieb insbesondere wenn nahezu die komplette Krone neu gebildet werden mußte, die Stärkereserven der Pflanze stark angegriffen wurden. Konnten diese im Sommer nicht vollständig wieder gefüllt werden, so konnte im darauf folgenden Winter das Phänomen WLD wesentlich heftiger ausfallen, nun war auch Zweigsterben feststellbar. Dies ließ sich so weit treiben, daß einer der obigen Sämlinge schon im dritten Winter kollabierte. Bei größeren Pflanzen äussert sich solch eine Verlust der Stärkereserven n mangelhafter Fruchtbildung und Wachstumsstockungen, und völliger Verlust der Reserven sollte auch hier zum kollabieren der Pflanze führen.
Es ist auch festzustellen, daß Pflanzen auf Citrus aurantium, Citrus volkameriana, Citrus macrophylla und Citrus jambhiri veredelt am anfälligsten für WLD sind.
Bei Poncirus trifoliata scheint die Stärke des winterlichen Blattfalls alternierend zu sein, jedoch läßt sich solch eine Pflanze nur schwer warm überwintern.
Was kann man nun gegen WLD tun?
Es gibt unterschiedliche Methoden. Bewässerung mit warmen Wasser scheint eine beliebte Vorbeugende Praxis zu sein. Auf etwa 25° C – 32° C wird hierfür das Wasser erwärmt, welches aufgrund seiner Temperatur die Wurzelfunktion steigert, damit die Wasseraufnahme kurzfristig steigert und so WLD entgegen wirkt.
Die Pflanzen besprühen oder bei hoher Luftfeuchte aufzustellen, scheint ebenso WLD zu verringern, kann aber WLD nicht wirklich abstellen.
Schattierung hilft gegen WLD und ist die gängigste Praxis in Orangerien gewesen. Durch die Reduzierung des Lichts wird der Erwärmung der Luft und der Erwärmung der Blattfläche vorgebeugt, als auch weniger Licht die Blattoberfläche trifft und so die Photosynthese herabgesetzt wird.
Daher erscheint es das Beste zu sein, die Pflanze im Winter absonnig und schattiert, bei Temperaturen von 5-10° C aufzustellen, um WLD zu vermeiden.
Wo dies nicht möglich ist, zeigte sich, daß mit Erwärmung des Wurzelballens auf 22-25° C der winterliche Blattfall ebenfalls abgestellt werden konnte. Leider hat dies den Nachteil, daß die Pflanze dann im Winter auch weiter wächst, und daher möglichst volle Sonne erhalten sollte. Auch muß eine solche Pflanze gegossen und gedüngt werden, da diese aktiv ist und Wasser- und Nährstoffbedarf fast wie im Sommer sind.
An ungünstigen Standorten kann es vorkommen, daß die Pflanze eine Winterchlorose zeigt. Die hellen Blätter, die an Eisen- und Stickstoffmangel erinnern, sind Ursache mangelhafter Wurzelfunktion der kalten Wurzeln im Winter. Es werden nicht genug Nährstoffe aufgenommen. Ein deutliches Zeichen dafür, daß die Pflanze zuviel Licht bekommt, aber es zum Glück nicht zu akuten Stressreaktionen wie WLD führt. Dies ist vernachlässigbar, da sich dies im Frühjahr mit steigenden Temperaturen verliert.
An einigen Standorten kann es vorkommen, dass die Pflanze sich bei Wasserstress durch kalte Wurzeln zuerst der Flüssigkeitsreserven in den Früchten bedient. Die Früchte werden innen trocken und fallen ggf. auch ab. Hier kann ein warmer Wurzelballen helfen, den Fruchterfolg zu optimieren, als ein warmer Wurzelballen bei vielen wärmeliebenden Veredelungsunterlagen erst eine problemlosere Kultur möglich macht.
Doch man sollte immer im Hinterkopf behalten:
Die beste Pflege ist die, welche die Pflanze ohne Blatt- und Fruchtfall toleriert. Falls also eine Pflanze unter anderen Bedingungen als hier genannt steht, aber keine Anzeichen für WLD noch Fruchtprobleme aufzeigt, sollte man die Kulturumstände nicht ändern.
Jede Pflanze ist ein Lebewesen, und diese unterscheiden sich oft mehr oder minder stark. So sollte man in solch einem Fall einfach respektieren und akzeptieren das sich die Pflanze so wohlfühlt.
Nur wenn die Pflanze deutliche Zeichen von Unwohlsein zeigt, sollte man eine Veränderung herbei führen.
Auch sollte man zu rasche Änderungen in Kultur und Umgebung vermeiden, als auch dies die Pflanze stresst und Blattfall verursachen kann.
Johann Christoph Volkamer schrieb 1714 in seinem Werk der ‚Nürnbergischen Hesperides‘ im Fortsetzungsband, daß man die Wurzeln wärmer halten sollte.
Er empfahl daher in den Glashäusern der damaligen Zeit, die nichts mit unseren Gewächshäusern gemein hatten, die Pflanzen in Mistbeete zu setzen.
Der Mist um die Wurzeln zersetzte sich, und wurde er feucht gehalten, gab genügend Wärme an die Wurzeln ab, als diese im Mist Nährstoffe und Wasser fanden, so daß die Pflanzen ohne Schattierung und Blatt., sowie Fruchtfall überdauerten.
So wurde im 18. Jahrhundert der Blattfall durch Mistbeete und deren Wärme an den Wurzeln vermieden. Auch dürfte eine leichte Schattierung des damaligen Glases zudem die Sache erleichtert haben.
Volkamer erwähnt zudem, daß das Vertrocknen von Früchten mit der Mistbeetkultur um Glashaus zu verhindern ist, was nochmals verdeutlicht, was Kälte einer Citrus-Pflanze anhaben kann.
Zum Abschuß: Wärmeliebende Kultivare, wie Zitronatzitronen (Citrus medica), Limetten (Citrus aurantifolia) und einige Zitronen-Sorten (Citrus limon) sind egal auf welcher Veredelungsunterlage schon anfälliger für den winterlichen Blattfall, als im Vergleich die meisten Pomeranzen (Citrus aurantium), Apfelsinen (Citrus sinensis) und Mandarinen (Citrus reticulata sp.). Bei letzteren aber kann nun die Veredelungsunterlage, die den Wurzelstock bildet, trotzdem signifikante Einflüsse haben.