Ich dokumentiere hier ein längeres Interview, dass ich diesen Herbst mit Thorwald Brandwein geführt habe. Wegen der Länge veröffentliche ich es in mehreren Teilen.
Frage: Hallo Thorwald. Kannst Du Dich unseren Lesern kurz vorstellen?
Nach einigen Kindheitsjahren im Umland von Berlin bin ich in Hessen aufgewachsen. Von 1959 bis 1971 konnte ich als Kind eines Lehrerehepaares die Odenwaldschule (Oberhambach) besuchen, an der ich Gelegenheit hatte, das Abitur abzulegen und nebenbei handwerkliche Fähigkeiten zu erlernen. Nach einer Dienstzeit bei der Bundeswehr nahm ich ein Geologiestudium auf, wechselte allerdings bald zur Architektur, anfangs in Berlin, später in Aachen. Dort finanzierte ich das Studium erst durch eine Tätigkeit als studentische Hilfskraft am Institut für Kunststoffverarbeitung später in einem auf Kunststofftechnik (Verbundwerkstoffe) spezialisiertem Ingenieurbüro.
Aus einem Engagement für ökologisches Bauen und der Beschäftigung mit Kunststoffen entstanden damals eigene Ideen speziell für Dachbegrünung und Kletterhilfen zur Fassadenbegrünung.
Nachdem wir – also meine Frau und ich – ein eigenes Haus erworben hatten, konnte ich ab 1984 diese Ideen versuchsweise realisieren. Die Ergebnisse machten einen guten Eindruck und so wurde ich 1986 selbständiger „Gebäudebegrüner“. Allerdings habe ich mich mangels lokaler Nachfrage nach Dachbegrünungen direkt auf den Bau von Kletterhilfen zur Fassadenbegrünung spezialisiert.
Inzwischen bin ich über 20 Jahre als Hersteller von Kletterhilfen tätig, verheiratet, habe ein Kind und wohne am Nordrand der Eifel. Hier entwerfe und produziere ich Kletterhilfen, die vorwiegend in Deutschland, aber auch in einigen Nachbarländern montiert werden.
Frage: Du bist der einzige Anbieter von großflächigen Rankhilfen aus Verbundwerkstoffen. Warum favorisierst du dieses Material und warum bist du damit immer noch konkurrenzlos?
Meine Kletterhilfen sind konzeptionell irgendwie ein „Mittelding“ zwischen sehr grobem Netz und stabilem Gitter. Sie unterscheiden sich inzwischen von „Rankseilen“ durch Verzicht auf Spanntechnik und von „Rankgittern“ aus Metall oder Holz durch lichtere Strukturen, das heisst größere Gitterweiten, bzw. schlankere, generell runde Profile.
Mit Verbundwerkstoffen bilde ich also bevorzugt solche Strukturen, die mit den beiden gängigen Alternativen i.d.R. nicht ausgeführt werden, weil die Materialeigenschaften, Verarbeitungsmethoden oder Kosten dagegen sprechen. Das korrespondiert in etwa auch mit der Elastizität der Werkstoffe. Seile liegen z.B. bei einem Elastizitätsmodul bis etwa 20kN/mm², Verbundwerkstoffe zwischen etwa 50 kN/mm² und 150 kN/mm² und Stähle bis etwa 200 kN/mm².
Ich verwende bewusst den wenig werbewirksamen Begriff „Kletterhilfen“ weil ich für jedes Begrünungsprojekt möglichst Strukturen bereitstellen will, die den Kletterstrategien und Wuchsmerkmalen des künftigen Bewuchses optimal entsprechen, gleichzeitig aber auch optisch mit dem Bauwerk gut vereinbar sind.
Die spezifischen Vorteile von GFK – manchmal auch CFK – sind hohe Festigkeiten, bzw. Steifigkeit, minimale Wärmeleitung, geringes Gewicht und sehr hohe Beständigkeit gegenüber allen möglichen Einflüssen, denen Kletterhilfen ausgesetzt sein können.
Ich persönlich sehe Verbundwerkstoffe als ideal zweckmäßig an, weil sich damit Kletterhilfen bauen lassen, die mit Seilen und den klassischen Werkstoffen für Gitter eben nicht so günstig realisierbar sind und die obendrein eine besonders hohe Lebensdauer erwarten lassen. Selbst eine Wiederverwendbarkeit nach langer Standzeit – 20 oder auch 50 Jahren – ist gegeben.
Ich bin wohl deshalb der Einzige, der solche Lösungen anbietet, weil sie sehr erklärungsbedürftig sind und damit vor allem vor dem Auftragsabschluss sehr viel Arbeit machen. Zwar sind meine funktionalen Kletterhilfen prinzipiell nur einfache Rechteckgitter, aber zur Optimierung ist auch bei solchen eine projektbezogene Anpassung der genauen Abmessungen sinnvoll. Deshalb verzichte ich auch auf einen Katalog für größere Kletterhilfen. Solche sollte man m.E. nicht einfach aus wenigen Varianten auswählen, sondern in allen Details entwickeln.
Außerdem habe ich meine einmalige Fertigung solcher Gitterstrukturen selbst „erfunden“ und für den speziellen Zweck optimiert. Aktuell produziere ich gegenüber automatisch geschweißten, genagelten oder anders maschinell verbundenen Gittern langsam und platzintensiv. Aber gegenüber an der Fassade gebildeten, vielfach gekreuzten Seilanordnungen – also weiten netzähnlichen Konstruktionen – arbeite ich deutlich schneller und kostengünstiger. Deshalb sind meine montagefertigen Kletterhilfen im Bereich von Feldgrößen, bzw. „Maschenweiten“, zwischen 30 cm x 30 cm und 45 cm x 80 cm sehr oft eine empfehlenswerte Alternative.
Allerdings verursachen sie – obwohl sie so gut wie nichts wiegen – immer recht hohe Transportkosten. Sie sind eben prinzipiell sperrig. Ich schöpfe gerne die Möglichkeiten aus und liefere bevorzugt große Kletterhilfen, bzw. Teilelemente bis 6 m x ca. 2 m. Kunden, die ihre Kletterhilfen vom Hersteller montiert haben wollen, entstehen i.d.R. keine beachtenswerten Frachtkosten, da diese dann mit den Reisekosten der Monteure großteils abgedeckt sind.
GFK in den geeigneten Stärken (ab 6 mm Durchmesser) ist im Preis pro laufenden Meter teurer als Normalstahl aber kostengünstiger als Edelstahl – egal ob Rundstahl oder Seil. Letztere werden daher meist in deutlich kleineren Durchmessern zur Fassadenbegrünung eingesetzt und verursachen damit auf den ersten Blick geringere Kosten. Dieser Preisvorteil relativiert sich allerdings über Verbindungsklemmen, Befestigungsmittel und Montagearbeiten, so dass manche flächige Drahtseilkonstruktion auf der Basis dünner Seile letztendlich teurer wird, als ein rohrverstärktes GFK-Element gleicher Abmessungen.
Es stimmt übrigens nicht, dass ich völlig exklusiv GFK-Produkte zur Fassadenbegrünung anbiete. Von einem Hersteller, dessen Name meinem sehr stark ähnelt und der deshalb häufig mit mir verwechselt wird, kann man seit einiger Zeit Glasfaserstäbe und Abstandhalter mit Kreuzklemmen beziehen, die vor Ort zusammengeschraubt werden. Das Produkt wird unter dem Namen „Tobrafix“ angeboten. Ich sehe es als eine relativ zu teure Weiterentwicklung meiner in den 1980er Jahren angebotenen Selbstbausätze auf der Basis von GFK-Rundstäben an und nehme an, dass sich der Hersteller bei der Wahl des Produktnamens schon etwas gedacht hat….
Frage: Beschäftigst Du Dich auch mit anderen gartenbaulichen Fragestellungen, die nicht unmittelbar mit grüner Fassade zu tun haben?
Wie gesagt – Dachbegrünung war mal ein Thema, aber in der Praxis bin ich wohl exklusiv „Fassadenbegrünungstechniker“. Gärtner bin ich – so wie die meisten Hausbesitzer – nur nebenbei. Allerdings bin ich mit der Anlage und Pflege eines recht großen und teilweise intensiv genutzten Hausgartens aufgewachsen.
Wie viele andere habe ich meist zu wenig Zeit für die Arbeit im eigenen Garten und konzentriere sie deshalb auf die zahlreichen Kletterpflanzen, die ich an fast allen mir verfügbaren Flächen und an einigen freistehenden Klettergerüsten unterhalte.
Viele sind arbeitsintensiv, da es unmöglich war, ihnen optimale Bedingungen zu schaffen – teilweise habe ich zu Versuchszwecken auch bewusst darauf verzichtet. Wenn ich also ab und an auf Schadenspotenziale mancher Ausführung Hinweise, dann liegen dazu meist auch konkrete eigene Erfahrungen und vorzeigbare Beispiele vor.
Fortsetzung des Interviews:
Teil 2