Nachfolgend wird eine geringfügig veränderte und gekürzte Pressemitteilung des Europäischen Parlaments dokumentiert.
Das Europäische Parlament hat die neue EU-Pestizidpolitik verabschiedet. Das Paket besteht aus einer Verordnung zur Produktion und Zulassung von Pestiziden und einer Richtlinie zu deren nachhaltigem Einsatz. Gefährliche Stoffe werden verboten. Empfindliche Gebiete wie Spielplätze oder Parks werden besser geschützt, ebenso die aquatische Umwelt und die Trinkwasservorräte. Das Risiko beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln soll minimiert und das Suchen nach Alternativen gefördert werden.
Für die Verordnung ist Hiltrud BREYER (Bündnis90/Die Grünen) Berichterstatterin, für die Richtlinie Christa KLAß (CDU).
EU-Pestizidverordnung: „Eine Sternstunde für Europa“
Die Einigung ist „eine Sternstunde für Europa“, so Hiltrud Breyer, und ein „Meilenstein für den europäischen Gesundheitsschutz, Verbraucherschutz, aber auch für die Umwelt und die Wirtschaft“. Der Ausstiegsbeschluss aus hochgefährlichen Pestiziden sei „erstmalig und weltweit einzigartig“. Europa werde weltweit zum Vorreiter für „bahnbrechenden Gesundheitsschutz“. Die Verordnung sei zudem auch ein „win-win“ für die Industrie, die Innovationsanreize bekomme, in Zukunft bessere und sicherere Produkte zu produzieren.
Verbot gefährlicher Stoffe
Hochtoxische Pestizide werden ebenso verboten wie Wirkstoffe, die Krebs erzeugen, das Erbgut verändern oder die Fortpflanzung schädigen. Auch hormonell wirksame Substanzen (endokrine Disruptoren) stehen auf der schwarzen Liste.
Für Wirkstoffe, die die Entwicklung von Immun- oder Nervensystem schädigen, ist eine strenge Sicherheitsprüfung vorgesehen. „Die EU wird damit internationaler Vorreiter für mehr Sicherheit“, so Hiltrud Breyer.
Auf EU-Ebene werden Wirkstoffe mit bestimmten Eigenschaften als zu ersetzende Stoffe identifiziert werden. Pflanzenschutzmittel, die solche Wirkstoffe enthalten, werden von den Mitgliedstaaten mit dem Ziel geprüft, sie durch andere Pflanzenschutzmittel, die Wirkstoffe enthalten, die weniger Risikominderung erfordern, oder durch nichtchemische Methoden der Bekämpfung oder Prävention zu ersetzen.
Breyer machte in der gestrigen Debatte deutlich, dass „auch die Banane, die aus Costa Rica kommt, und mit krebserregenden Stoffen behandelt wird, die bei uns auf den Index gesetzt und damit verboten werden, in der Europäischen Union illegal ist“.
Gegenseitige Anerkennung in drei Zonen
Zur Vermeidung von Doppelarbeit, zur Verringerung des Verwaltungsaufwands für Industrie und Mitgliedstaaten sowie zur Sicherstellung einer einheitlicheren Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln wird die von einem Mitgliedstaat erteilte Zulassung von anderen Mitgliedstaaten akzeptiert, sofern die landwirtschaftlichen, pflanzengesundheitlichen und ökologischen Bedingungen (einschließlich der klimatischen Bedingungen) vergleichbar sind. In diesem Sinne wird Europa künftig in drei Zonen mit diesbezüglich jeweils vergleichbaren Bedingungen aufgeteilt werden, um die gegenseitige Anerkennung zu erleichtern.
Zugleich werden die Möglichkeiten der EU-Mitgliedstaaten, zusätzliche Anwendungsbedingungen oder Beschränkungen aufzustellen, erheblich ausgeweitet. „Dies ist das klare Ja zur Harmonisierung bei der Produktzulassung, lässt jedoch den EU-Mitgliedstaaten Flexibilität, die jeweiligen nationalen Umweltstandards zu sichern“, so Breyer.
Bienenschutz, Vermeidung von Tierversuchen, Rückverfolgbarkeit
Die Verordnung sorgt auch für einen besseren Bienenschutz. In Zukunft muss sichergestellt sein, dass Wirkstoffe keine inakzeptablen akuten oder chronischen Effekte auf Bienen haben.
Auch die Entwicklung von Testmethoden ohne Tierversuche wird gefördert, damit für den Menschen relevante Sicherheitsdaten gewonnen und die derzeit gebräuchlichen Tierversuche ersetzt werden.
Bei der Rückverfolgbarkeit von Obst und Gemüse gelten künftig genaue Dokumentationskriterien für Produzenten und Landwirte.
Informationssystem zwischen Handel und Produzenten
Die EU-Kommission muss in einer Studie Kosten und Nutzen eines Informationssystems zwischen Handel und Produzenten untersuchen. „Dies ist der Einstieg in den elektronischen Feldpass“, erklärte Breyer.
Für die Verordnung stimmten 577 Abgeordnete, dagegen 61, 11 enthielten sich der Stimme.
Richtlinie über den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln
„Mit der jetzt vorliegenden Richtlinie über den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln machen wir einen großen Schritt zu mehr Gemeinsamkeit im europäischen Umwelt- und Verbraucherschutz. Nachhaltigkeit als Leitbild unserer europäischen Landwirtschaft garantiert gesunde Lebensmittel und gesunde Umwelt“, kommentiert Berichterstatterin Christa Klaß (CDU). Zum ersten Mal werde die Handhabung von Pflanzenschutzmitteln auf europäischer Ebene harmonisiert.
Ziel der Richtlinie ist die Minimierung des Risikos beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sowie die Förderung alternativer Methoden oder Verfahren wie nichtchemischer Alternativen zu Pestiziden.
Die Reduzierung des Risikos ist für Klaß „das oberste Ziel“. Wirkstoffe, die nachweislich gesundheitsschädigend sind, dürften nicht zugelassen werden. Ein Verbot müsse aber „auf wissenschaftlich fundierten Erkenntnisses basieren und nicht auf politischen Dogmen“, so Klaß.
Nationale Aktionspläne und Einschränkung des Einsatzes von Pestiziden
Die Mitgliedstaaten müssen nationale Aktionspläne erlassen, in denen ihre quantitativen Zielvorgaben, Maßnahmen und Zeitpläne zur Verringerung der Risiken und der Auswirkungen der Verwendung von Pestiziden auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt festgelegt werden. In den Aktionsplänen wird auch beschrieben, wie die Entwicklung und Einführung des integrierten Pflanzenschutzes sowie alternativer Methoden oder Verfahren gefördert werden soll, um die Abhängigkeit von der Verwendung von Pestiziden zu verringern.
Darüber hinaus umfassen die nationalen Aktionspläne Indikatoren zur Überwachung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln, die besonders bedenkliche Stoffe enthalten, insbesondere wenn Alternativen verfügbar sind. Auf der Grundlage dieser Indikatoren werden Zeitpläne und Zielvorgaben für die Einschränkung des Einsatzes von Pestiziden festgelegt.
Sprühen von Pestiziden aus der Luft „generell verboten“
Da das Spritzen oder Sprühen von Pestiziden aus der Luft durch die sog. Abdrift signifikante nachteilige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt haben kann, wird es „generell verboten“. Allerdings gibt es Ausnahmegenehmigungen in Fällen, in denen es gegenüber anderen Spritz- oder Sprühmethoden eindeutige Vorteile im Sinne von geringeren Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt hat oder wenn es keine praktikablen Alternativen gibt, sofern die beste verfügbare Technik zur Verringerung der Abdrift zum Einsatz kommt.
Das Besprühen aus der Luft steht zudem unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die zuständigen Behörden. Anträge auf Ausnahmegenehmigungen für das Besprühen aus der Luft sind frühzeitig an die Behörden zu richten.
Spielplätze und Parks werden besser geschützt
In sehr empfindlichen Gebieten, etwa Natura-2000-Schutzgebieten oder in öffentlichen Parks, auf Sport- und Freizeitplätzen, Schulgeländen, auf Kinderspielplätzen sowie in der Nähe von Einrichtungen des Gesundheitswesens besteht bei einer Pestizidexposition ein hohes Risiko. In diesen Gebieten wird die Verwendung von Pestiziden minimiert oder verboten. Wenn Pestizide verwendet werden, müssen geeignete Risikomanagementmaßnahmen getroffen werden, wobei Pflanzenschutzmitteln mit einem geringen Risiko sowie biologischen Bekämpfungsmaßnahmen der Vorzug zu geben ist.
Schutz der aquatischen Umwelt und der Trinkwasservorräte
Die aquatische Umwelt ist gegenüber Pestiziden besonders empfindlich. Die Mitgliedstaaten müssen daher sicherstellen, dass angemessene Maßnahmen zum Schutz der aquatischen Umwelt und der Trinkwasservorräte vor Schäden durch Pestizide ergriffen werden. Entlang den Oberflächengewässern müssen Pufferzonen und Schutzgebiete angelegt oder Hecken gepflanzt werden, um die Exposition der Wasserkörper gegen Abdrift, Drainageabfluss und Oberflächenabfluss zu verringern.
Die Verwendung von Pestiziden in Einzugsgebieten von Trinkwassergewinnungsanlagen, an oder auf Verkehrswegen wie z. B. Bahnlinien sowie auf versiegelten oder stark durchlässigen Oberflächen kann das Risiko einer Verschmutzung der aquatischen Umwelt erhöhen. In solchen Gebieten ist die Verwendung von Pestiziden daher so weit wie möglich zu verringern oder gegebenenfalls ganz einzustellen.
Informationen, Ausbildung und „Geräte-TÜV“
Informationen und eine angemessene Ausbildung sollen den verantwortlichen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gewährleisten. Jeder Anwender hat eine Befähigung nachzuweisen. „Zur Risikoreduktion gehört, dass die professionellen Anwender eine gut fundierte Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet des Pflanzenschutzmitteleinsatzes absolvieren. Private Anwender, die keine spezifische Ausbildung haben und durch einen unsachgemäßen Einsatz im Privatgarten Schaden anrichten können, müssen beim Verkauf von Pflanzenschutzmitteln über den Einsatz und über die Risiken von einem gut ausgebildeten Verkäufer aufgeklärt und informiert werden“, so Klaß.
Geräte und Maschinen, die zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln benutzt werden, sind alle drei Jahre einer technischen Überprüfung zu unterziehen. „Der Geräte-TÜV, den es in Deutschland bereits gibt, wird EU-weit verpflichtend. Damit bekommen wir europaweit mehr Sicherheit und gleiche Wettbewerbsbedingungen“, erklärte Klaß.
Für die Richtlinie stimmten 624 Abgeordnete, dagegen 13, 10 enthielten sich der Stimme.