Luftverschmutzung: EU-Kommission leitet wegen Feinstaubbelastung Verfahren gegen 10 Mitgliedstaaten ein

Nachfolgend wird eine geringfügig gekürzte und veränderte Pressemitteilung der EU dokumentiert, von der auch Deutschland betroffen ist.

Die Europäische Kommission sah sich veranlasst, Vertragsverletzungsverfahren gegen zehn Mitgliedstaaten einzuleiten, weil die Luftqualitätsstandards der EU für gefährliche Feinstaubpartikel (PM10) nicht eingehalten wurden. Diese Partikel, deren Hauptverursacher die Industrie, der Straßenverkehr und private Heizungsanlagen sind, können Asthma, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenkrebs auslösen und die Lebenszeit insgesamt verkürzen. Grund für die Kommission, jetzt zu handeln, ist das Inkrafttreten der EU-Richtlinie über Luftqualität und saubere Luft in Europa im vergangenen Juni, derzufolge den Mitgliedstaaten unter bestimmten Bedingungen und für bestimmte Gebiete oder Ballungsräume eine Verlängerung der Frist eingeräumt werden kann, die für die Einhaltung der vorgeschriebenen PM10-Grenzwerte gilt.

EU-Umweltkommissar Stavros Dimas erklärte: „Luftverschmutzung hat ernste Auswirkungen auf die Gesundheit, und die Einhaltung der EU-Standards muss für uns allerhöchste Priorität haben. Die neue Richtlinie sieht zwar unter bestimmten Voraussetzungen Fristverlängerungen für die Einhaltung der geltenden Grenzwerte vor, diese dürfen aber die Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen nicht verzögern. Ebenso müssen die Standards dort, wo keine Fristverlängerungen gelten, in vollem Umfang eingehalten werden. Deshalb geht die Flexibilität, die den Mitgliedstaaten eingeräumt wird, mit sehr strengen Maßnahmen zur Durchsetzung der Richtlinie einher.“

Erste Mahnschreiben

Nachdem sie die Mitgliedstaaten im Juni um bestimmte Auskünfte gebeten hatte (IP/08/1112), verschickte die Europäische Kommission jetzt erste Mahnschreiben an zehn Mitgliedstaaten, in denen die seit 1. Januar 2005 geltenden Grenzwerte für PM10 noch nicht durchgesetzt sind. Es handelt sich um Zypern, Estland, Deutschland, Italien, Polen, Portugal, Slowenien, Spanien, Schweden und das Vereinigte Königreich. Die kritisierte Luftverschmutzung betrifft 83 Mio. Menschen in 132 verschiedenen Luftqualitätsgebieten.

Die genannten Mitgliedstaaten haben für die Luftqualitätsgebiete, in denen eine Überschreitung der PM10-Grenzwerte festgestellt wurde, bisher keine Anträge auf Fristverlängerung gestellt. Die neue Luftqualitätsrichtlinie[1] (MEMO07/571 und IP/08/570), die am 11. Juni 2008 in Kraft trat, gestattet den Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen eine Verschiebung des Zeitpunkts, ab dem die PM10-Grenzwerte eingehalten werden müssen. Fristverlängerungen werden nur für Gebiete eingeräumt, für die der Nachweis erbracht wurde, dass ab 2005 geeignete Maßnahmen getroffen wurden, um die Grenzwerte einzuhalten, dies aufgrund bestimmter äußerer Umstände jedoch nicht gelang. Die Mitgliedstaaten müssen darüber hinaus Luftqualitätspläne erstellen, in denen aufgezeigt wird, wie die Einhaltung der Grenzwerte vor Ablauf der neuen Frist erreicht werden soll.

Elf Mitgliedstaaten haben bisher für alle Gebiete Fristverlängerungen beantragt. Die Kommission hat nach Eingang der Anträge neun Monate Zeit, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, oder gegebenenfalls Einwände zu erheben. Vier Mitgliedstaaten – Deutschland, Italien, Polen und Spanien – haben für die Luftqualitätsgebiete mit zu hohen PM10-Werten keine Anträge auf Fristverlängerung gestellt.

Mehrere andere Mitgliedstaaten haben der Kommission mitgeteilt, dass für die beanstandeten Gebiete derzeit Luftqualitätspläne ausgearbeitet und in den kommenden Monaten entsprechende Anträge auf Fristverlängerung eingereicht werden.

Bulgarien und Rumänien meldeten 2008 erstmals überschrittene Grenzwerte. Beide Länder wurden auf ihre Pflicht hingewiesen, die Standards einzuhalten, und aufgefordert, für die Gebiete, in denen dies nicht der Fall ist, bis spätestens 31. März 2009 eine Fristverlängerung zu beantragen.

Vier Mitgliedstaaten bleiben von den Vertragsverletzungsverfahren oder Mahnschreiben unberührt. Finnland und Litauen konnten nachweisen, dass die Überschreitung der Grenzwerte mit dem Straßenwinterdienst (Streusand) zusammenhängt, was nach der Richtlinie ausdrücklich zugelassen ist, während in Irland und Luxemburg als einzigen Mitgliedstaaten keine Überschreitungen der vorgeschriebenen Werte festgestellt wurden.

PM10-Standard

Für PM10 gelten zwei Grenzwerte:

* eine über 24 Stunden gemessene Konzentration von 50 Mikrogramm (µg)/m3 darf nicht öfter als 35 mal im Kalenderjahr überschritten werden;
* über das gesamte Kalenderjahr gemessen darf eine Konzentration von 40 µg/m3 nicht überschritten werden.

Rechtsverfahren

Gemäß Artikel 226 EG-Vertrag ist die Kommission befugt, rechtliche Schritte gegen einen Mitgliedstaat einzuleiten, der seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.

Wenn nach Auffassung der Kommission ein Verstoß gegen das EU-Recht vorliegen könnte, der die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens rechtfertigt, richtet sie an den betreffenden Mitgliedstaat ein „Aufforderungsschreiben“ (erste schriftliche Mahnung), in dem dieser aufgefordert wird, sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums, in der Regel zwei Monaten, zu äußern.

Je nachdem, wie sich der betreffende Mitgliedstaat in seiner Antwort äußert und ob er überhaupt antwortet, kann die Kommission beschließen, ihm eine „mit Gründen versehene Stellungnahme“ (zweite und letzte schriftliche Mahnung) zu übermitteln, in der sie klar und eindeutig darlegt, weshalb ihrer Ansicht nach ein Verstoß gegen das EU-Recht vorliegt, und den Mitgliedstaat auffordert, seinen Verpflichtungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums (in der Regel zwei Monate) nachzukommen.

Wird der Mitgliedstaat nicht im Sinne dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme tätig, kann die Kommission beschließen, den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Gelangt der Gerichtshof zu der Auffassung, dass eine Vertragsverletzung vorliegt, wird der säumige Mitgliedstaat aufgefordert, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um seine Verpflichtungen zu erfüllen.

Nach Artikel 228 EG-Vertrag ist die Kommission befugt, gegen einen Mitgliedstaat vorzugehen, der einem Urteil des Europäischen Gerichtshof nicht nachkommt. Nach diesem Artikel kann die Kommission den Gerichtshof auch ersuchen, gegen den betreffenden Mitgliedstaat eine Geldstrafe zu verhängen.

Aktuelle Statistiken zu Vertragsverletzungsverfahren


Urteile des Europäischen Gerichtshofs

Weitere Auskünfte:

Listen der Luftqualitätsgebiete mit überschrittenen Grenzwerten nach Mitgliedstaaten


Fristverlängerungen

[1] Richtlinie 2008/50/EG