Nachfolgend wird eine geringfügig gekürzte und veränderte Pressemitteilung der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. dokumentiert.
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) bewertet das gestern bekannt gewordene Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Klagerecht von Anwohnern an Atomtransportstrecken als „Stärkung von Anliegen der Atomkraftgegner“.
Nachdem jahrelang Verwaltungsgerichte Klagen gegen atomrechtliche Beförderungsgenehmigungen von Anwohnern an der Strecke nach Gorleben abgeschmettert hatten, erteilte die 3. Kammer des Ersten Senats des BVerfG nun eine deutliche Rüge und stellte die Bedeutung der Grundrechte klar. Es gab in seinem Beschluss zweier Verfassungsbeschwerdeführern Recht, deren Klagebefugnis seit 2003 von Verwaltungsgerichten abgewiesen wurde. Trotz Freude über das Urteil hält die BI fest, dass damit „seit Jahren mit einem gigantischem Polizeiapparat auf fragwürdiger Rechtsgrundlage Atommülltransporte nach Gorleben verfrachtet wurden“.
„Wir haben immer gefordert, der Schutz der Bevölkerung muss Vorrang vor dem Schutz reiner Finanzinteressen der Atomwirtschaft haben, so ein BI-Sprecher. „Beim letzten Transport wurde zudem gegen das gesetzlich verlangte Strahlungs-Minimierungsgebot verstoßen, denn die Behälter enthielten wesentlich mehr radioaktives Inventar und gaben dadurch eine deutlich erhöhte Strahlung ab. Darum wies die Polizeieinsatzleitung ihre Beamten im Vorfeld an, eine kritische Gefahrenzone von mindestens 6,5 Metern um den Transport zu meiden. Was ist aber mit Bevölkerung, Häusern und Grundstücken an der Transportstrecke, die dem hohen Strahlenrisiko bewusst und direkt ausgesetzt werden?“
Der Verstoß gegen Grundrechte werde bei Atommülltransporten stets billigend in Kauf genommen, konstatiert der BI-Sprecher und fasst zusammen: „Auf der Tagesordnung. zur Durchsetzung der Transporte gegen die Interessen der Bevölkerung stehen Verstöße gegen das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2), auf Versammlungsfreiheit (Art. 8), auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 10) und Gewährleistung des Eigentums (Art. 14). Abschließend sichert das Grundgesetz in Artikel 19 jedem Bürger zu: Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen“.
Das BVerfG drückt dies in seinem Beschluss wie folgt aus: „Die Beschwerdeführerin ist durch die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verletzt, weil das Oberverwaltungsgericht den Zugang der Beschwerdeführerin zum Berufungsrechtszug in unzumutbarer Weise erschwert hat. Dabei hat es verkannt, dass das von der Beschwerdeführerin geltend gemachte spezifische Gefährdungspotential der Beförderung von Kernbrennstoffen eine andere Qualität hat, als die – der genannten Entscheidung des BVerwG zugrundeliegende – fortlaufende und dauerhafte Belastung der Umgebung bei ortsfesten Anlagen. Die Beschwerdeführerin hatte demgegenüber geltend gemacht, dass sich bei Nichteinhaltung des gebotenen Schutzstandards auch bei nur kurzzeitiger, aber massiver Strahlenexposition eine erhebliche Gesundheitsgefährdung und Eigentumsbeeinträchtigung für “Dritte” ergeben könne.“
Eine Entscheidung des BVerfG zu Beschwerden der BI über die umfassenden Versammlungsverbotszonen bei Castortransporten steht noch aus. Wegen der hohen Gerichtskosten ruft die Initiative zu Spenden auf.
(Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 21. Januar 2009 – 1 BvR 2524/06 und 1 BvR 2594/06)