Nachfolgend wird eine geringfügig gekürzte und veränderte Pressemitteilung der DUH e.V. dokumentiert.
Neuer Erfolg der Einweglobby: Bundesfinanzministerium begünstigt „Essen auf Rädern“ in Wegwerfverpackungen mit dem ermäßigten Mehrwegsteuersatz – Unternehmen, die Mehrwegverpackungen einsetzen, zahlen die volle Mehrwertsteuer von 19 Prozent – Deutsche Umwelthilfe fordert Beendigung der steuerlichen Benachteiligung umweltschonender Verpackungen
Berlin: Von etwa 320.000 Fertigmahlzeiten, die Mahlzeitendienste („Essen auf Rädern“) jeden Tag an Rentner, Kindergärten oder Krankenhäuser ausliefern, werden nur noch rund 10-15 Prozent ( 30.000 – 40.000) in Mehrwegverpackungen vertrieben. Mahlzeitendienste, die auf umwelt- und ressourcenschonenden Mehrwegverpackungen statt auf Wegwerfverpackungen aus Aluminium und Kunststoff setzen, müssen 19 Prozent Mehrwertsteuer zahlen, im Gegensatz zur Einweg-Konkurrenz, die mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent davonkommt. Diese absurde Bevorzugung der Wegwerfbranche ergibt sich aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) an die obersten Finanzbehörden der Länder vom 16. Oktober vergangenen Jahres. Bisher hatten diese sowohl für Mehrweg- als auch für Einwegverpackungen die ermäßigte Steuer verlangt.
„Die Entscheidung des Finanzministeriums, in Mehrweg verpackende Mahlzeitdienste durch den erhöhten Mehrwegsteuersatz zu bestrafen, ist ein Schlag ins Gesicht für alle umweltengagierten Betriebe in einem ohnehin schwierigen Umfeld. Sie steht in klarem Widerspruch zur Zielsetzung der europäischen und der deutschen Abfallpolitik, Abfälle wo immer möglich zu vermeiden“, so der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) Jürgen Resch. Der Grundsatz der Abfallvermeidung sei auch in der Verpackungsverordnung verankert. „Eine typische Mehrwegverpackung für Fertigmahlzeiten wird 600 Mal wiederbefüllt, bevor sie einer stofflichen Verwertung zugeführt wird. Das ist praktische Ressourcenschonung, die nun aus dem Bundesfinanzministerium heraus unmittelbar diskriminiert wird.“ Das kleine aber klare Beispiel zeige erneut, „wie in Deutschland hehre ökologische Zielsetzungen über die Auslegung der Finanz- und Anreizinstrumente hintertrieben werden“, kritisierte Resch.
Für den Endabnehmer mache es keinen praktischen Unterschied, ob ihm das Essen in einer Einwegverpackung oder in einer Mehrwegverpackung geliefert werde. In beiden Fällen würden die Mahlzeiten an der Tür entgegengenommen, auf einen Teller umgefüllt und gegessen. Im Falle einer Einwegverpackung wird die Verpackung entweder über den gelben Sack entsorgt oder am nächsten Tag dem Lieferdienst zur Entsorgung zurückgegeben. Im Falle einer Mehrwegverpackung wird die Verpackung vorgereinigt und am nächsten Tag zurückgegeben.
Lieferungen von Lebensmitteln unterliegen grundsätzlich dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 Prozent. Wenn die Essenslieferung jedoch zusätzliche Dienstleistungen umfasst, die mit der Vermarktung der Speisen nicht verbunden sind, gilt der Regelsteuersatz in Höhe von 19 Prozent. Das BMF-Schreiben beschreibt anhand von insgesamt 13 verschiedenen Beispielen die Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen und Getränken. Im Beispiel 13 stellt das Finanzministerium fest, dass ein Mahlzeitendienst, der das Essen in Mehrwegverpackungen liefert, den Regelsteuersatz anzusetzen habe, da „der Mahlzeitendienst mit der Nutzungsüberlassung des Geschirrs sowie dessen Endreinigung Dienstleistungselemente erbringt, die nicht notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind.“
„Es liegt aber im Wesen einer Mehrwegverpackung, dass sie gereinigt werden muss, um noch mal für die Befüllung von Lebensmitteln eingesetzt werden zu können. Sie erfüllen dadurch aber für den Abnehmer keine zusätzliche praktische Leistung, sondern ersetzen für ihn eins zu eins die Einwegverpackungen“, widerspricht die Leiterin Kreislaufwirtschaft bei der DUH, Maria Elander. Dies sei auch dadurch erkennbar, dass die Mehrwegverpackungen für Fertigmahlzeiten bewusst der Konzeption der entsprechenden Einwegverpackungen ähneln. „Die Endreinigung der Mehrwegverpackung ist – entgegen der Aussage des Bundesfinanzministeriums – eindeutig mit der notwendigen Vermarktung von in Mehrwegverpackungen gelieferten Speisen verbunden.“
In einem Schreiben an die DUH betont das BMF zwar, dass die Verwendung von Mehrwegsystemen „die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht grundsätzlich ausschließt“. Gleichzeitig stellt das Ministerium dafür aber die wirklichkeitsfremde Forderung, die Mehrwegverpackung müsse dann beim jeweiligen Endverbraucher „endgereinigt“ werden. Dies ist jedoch schon aus hygienischen Gründen gar nicht zulässig.
Auf entsprechende Nachfragen reagiert das Ministerium ausweichend. Auf eine kleine Anfrage der Grünen im Bundestag versprach die Bundesregierung für den Fall, dass es zu einer unerwünschten Reduzierung der Mehrwegverpackungen komme, prüfen zu wollen, „mit welchen Maßnahmen dem entgegengewirkt werden kann“. Die vom Bundesfinanzministerium verfügte höhere Mehrwegsteuer für die gesamte Mahlzeit führt bei der Nutzung des Mehrwegsystems unmittelbar zu einer Preiserhöhung, die die betroffenen Betriebe nicht an ihre Kunden weitergeben können. „Wenn sein Haus nicht schnell zur Räson kommt, muss Bundesfinanzminister Peer Steinbrück selbst aktiv werden. Er sollte das absurde Theater unverzüglich beenden und nicht abwarten, bis die benachteiligten Betriebe Konkurs anmelden“, forderte Resch.