Nachfolgend wird eine geringfügig gekürzte und veränderte Nachricht des NABU dokumentiert.
NABU kritisiert unnötige Hektik bei Gesetz zur neuen Technologie
Die einzige Möglichkeit, den Ausstoß von Kohlendioxid beim Verbrennen von fossilen Rohstoffen wie Braunkohle, Steinkohle und Erdgas deutlich zu reduzieren, besteht durch Abtrennung, Transport und dauerhafter Speicherung des Kohlendioxids im geologischen Untergrund.
Weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre …
Mithilfe verschiedener Verfahren kann das im Verbrennungsprozess entstehende Kohlendioxid weitgehend abgetrennt werden. In den weiteren Prozessschritten muss es dann – meist per Pipeline – zu einem geeigneten Speicherort transportiert und in unterirdische Gesteinsformationen gepresst werden, um dort hoffentlich langfristig und sicher zu lagern.
… durch Anwendung der CCS-Technologie
Die verschiedenen Verfahren und Technologien, die für die unterirdische Speicherung benötigt werden, werden unter dem Kürzel CCS – Carbon Dioxide Capture and Storage – zusammengefasst. Die Bundesregierung hat nun einen Gesetzentwurf beschlossen, der die Anwendung der CCS-Technologie in Deutschland regeln soll. Darin geht es vor allem um die Erkundung, Genehmigung und Überwachung von möglichen unterirdischen Speichern für das abgetrennte Kohlendioxid. Außerdem wird geregelt, wie die Betreiber von Speichern für mögliche Schäden vorsorgen sollen und ab wann sie die Haftung für die Risiken der Kohlendioxid-Deponierung auf die Allgemeinheit übertragen dürfen.
Unnötige Hektik bei der Gesetzgebung
Der NABU bemängelt, dass ein Gesetz über die Ablagerung von Millionen Tonnen Kohlendioxid für Tausende Jahre in wenigen Wochen ohne ausführliche Beratung verabschiedet werden soll. Inhaltlich fordert der NABU, dass diejenigen Energie- und Klimaschutztechnologien, von denen wir wissen, dass sie funktionieren – wie Erdwärmenutzung und Druckluftspeicherung – klaren Vorrang haben vor der Kohlendioxid-Deponierung. Von dieser weiß noch niemand, ob sie sicher ist und dauerhaft funktioniert. Die Vermeidung und Verminderung von Kohlendioxid muss gegenüber der Deponierung von bereits entstandenem Kohlendioxid bevorzugt werden und nicht umgekehrt. Außerdem hält es der NABU für völlig inakzeptabel, dass die Haftung für alle künftigen Risiken, die von Millionen Tonnen Kohlendioxid unter der Erde ausgehen, bereits 30 Jahre nach Schließung eines Kohlendioxid-Speichers an die Allgemeinheit – sprich die Steuerzahler – übergehen kann. Die Energiekonzerne räumen selbst ein, dass erst nach 100 bis 300 Jahren verlässliche Aussagen über das Verhalten des Klimagases im Untergrund gemacht werden können. Daher fordert der NABU eine längere Haftungsfrist, und dass die Betreiber auch für nach Ende dieser Frist auftauchende Schäden vorsorgen müssen.
Risiken und offene Fragen
* Die CCS-Technologie ist noch weit von der kommerziellen, großtechnischen Umsetzbarkeit entfernt. Dies wird mindestens bis zum Jahr 2020 dauern. Und selbst eine dann ausgereifte Technologie wird so hohe Mehrkosten mit sich bringen, dass Strom aus Erneuerbaren Energien günstiger sein dürfte als aus CCS-Kohlekraftwerken. Denn Abscheidung, Transport und Speicherung von Kohlendioxid erhöhen den Energieverbrauch der jeweiligen Kraftwerke deutlich.
* Das größte Risiko der CCS-Technologie ist jedoch die ungeklärte Frage der langfristigen Speichersicherheit. So gibt es noch keinerlei Erfahrungen darüber, was passiert, wenn hunderte Millionen Tonnen Kohlendioxid in tiefe Gesteinsschichten gepresst werden. Dabei muss gewährleistet sein, dass das deponierte Klimagas keine unterirdischen Wasservorkommen verdrängt, Gesteinsschichten angreift oder Schadstoffe ins Grundwasser transportiert, sondern über tausende Jahre sicher in der vorgesehenen geologischen Formation verbleibt. Ob es dafür genügend geeignete unterirdische Speicherstätten gibt, ist ebenfalls noch offen.
Pragmatische Abwägung
Angesichts dieser Nachteile sollten Potenziale und Perspektiven der CCS-Technologie nüchtern und realistisch betrachtet werden. Dass sie in Deutschland einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz leisten wird, ist angesichts der langen Vorlaufzeit bis zur großtechnischen Einsatzfähigkeit, der hohen Kosten und der unklaren Speicherverfügbarkeit eher unwahrscheinlich. Dennoch wäre es aus NABU-Sicht klimapolitisch unklug, frühzeitig auf diese Option komplett zu verzichten. Kohlereiche, schnell wachsende Volkswirtschaften wie Indien und China werden höchstwahrscheinlich die Kohleverstromung nicht so frühzeitig reduzieren, wie dies klimapolitisch geboten wäre. Es erscheint derzeit sinnvoll, für diesen Fall die hochkomplexe Technologie in Deutschland und Europa weiterzuentwickeln und zu erproben.
Wenn CCS funktioniert, kann es eine unterstützende Klimaschutzoption sein – vor allem in Ländern wie Indien und China. Daher sollte auf CCS nicht vorschnell und ohne Not komplett verzichtet werden. Aber Deutschland und die EU dürfen auch nicht kopflos in eine „Kohle-CCS-Sackgasse“ rennen, indem jetzt zahlreiche neue Kohlekraftwerke gebaut werden – in der bloßen Hoffnung, dass CCS bald einsetzbar sein wird. Denn was passiert, wenn sich herausstellen sollte, dass die Kohlendioxid-Abscheidung und -Speicherung technisch nicht funktioniert oder die Nachrüstung bestehender Kraftwerke mit CCS zu teuer ist? Alle gerade gebauten Kohlekraftwerke mit ihren dann viel zu hohen Kohlendioxid-Emissionen werden zu teuren Investitionsruinen – oder die Klimaschutzziele werden zu Politikruinen.
CCS kann eine Brückentechnologie sein – aber heute kann noch niemand mit Sicherheit sagen, ob die Brücke tragfähig sein wird.
Der CCS-Gesetzentwurf der Bundesregierung
Download: NABU-Stellungnahme zum CCS-Gesetzentwurf