Bearbeitete Quelle: DUH e.V.
Feinster Dieselruß beschleunigt die Eisschmelze in der Arktis und mit ihr die Erderwärmung – Städte sind bei der Bekämpfung des Effekts besonders gefordert – Beispiel Hannover zeigt Erfolge und neue Handlungsmöglichkeiten
Hannover: Feinste Rußpartikel sind nicht nur verantwortlich für schwere Gesundheitsschäden vor allem in den städtischen Ballungsräumen. Sie tragen darüber hinaus – neben den bekannten Treibhausgasen wie Kohlendioxid – zur globalen Klimaerwärmung bei. Insbesondere beschleunigen Rußpartikel das Abschmelzen des arktischen Eises. „Rußpartikel aus Europa gelangen über die Atmosphäre bis in die Arktis und lagern sich dort auf dem Eis ab. Es entsteht eine Art Grauschleier, das Eis erwärmt sich deshalb bei Sonneneinstrahlung stärker. Im Ergebnis schmelzen die Eismassen schneller und die Temperatur in der Arktis steigt“, sagte der internationale Verkehrsberater Dr. Axel Friedrich heute in Hannover. Weil die Rußpartikel in der Arktis vor allem aus Europa stammen, sei hier auch der Handlungsbedarf am größten. Andererseits gebe es eine große Chance für schnelle Erfolge bei der Bekämpfung dieses Aufheizeffekts, weil sich Rußpartikel im Gegensatz zu Treibhausgasen nur vergleichsweise kurz in der Atmosphäre halten.
Um auf diese Zusammenhänge aufmerksam zu machen, starteten im März die Deutsche Umwelthilfe (DUH), der Verkehrsclub Deutschland (VCD), der Naturschutzbund (NABU) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) die gemeinsame Kampagne „Rußfrei fürs Klima“. Das Aktionsbündnis fordert die Ausstattung aller Dieselmotoren mit hoch wirksamen Partikelfiltern im Verkehr (Pkw, Nutzfahrzeuge, Bahn, Schifffahrt), aber auch bei stationären Anwendungen (Industrie, Baumaschinen).
Ballungszentren komme hierbei eine besondere Bedeutung zu. Eine hohe Bevölkerungsdichte, Handel und Gewerbe führten dort automatisch zu viel Verkehr und hohen Dieselrußbelastungen. Die Stadt Hannover hat dabei mit der Einführung der Umweltzone bereits einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Gesundheitsschutz geleistet. Auf anderen Handlungsfeldern bestehe jedoch weiterhin dringender Handlungsbedarf. „Die Stadt Hannover muss ihre Bemühungen im Klimaschutz mit einer konsequenteren Bekämpfung von Dieselruß intensivieren. Der Neubau von 2.000 Parkplätzen in der City macht zunichte, was in mühsamer Kleinarbeit bei den öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht wurde. Wir fordern von allen deutschen Städten – auch von Hannover – der rußfreien und klimafreundlichsten Form der Mobilität, dem Rad- und Fußverkehr, höchste Priorität einzuräumen“, so Heiko Balsmeyer, Verkehrsexperte beim Verkehrsclub Deutschland (VCD).
Die Verbände begrüßten ausdrücklich die erst kürzlich durch ein Gerichtsurteil bestätigte Umweltzone in der niedersächsischen Landeshauptstadt. „Hannover schließt als erste Stadt bundesweit Fahrzeuge mit roter Plakette aus der Umweltzone aus. Damit wird gezielt solcher Verkehr aus der Innenstadt verdrängt, der besonders hohe Emissionen verursacht. Neben diesem direkten Effekt zeigen die Erfahrungen in Berlin, dass konsequente Regelungen in Umweltzonen zu einer deutlich schnelleren Verjüngung des gesamten Fahrzeugparks führen. Umweltzonen, richtig ausgestaltet, wirken wie Modernisierungsbeschleuniger hin zu einer saubereren Mobilität“, erklärte Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe (DUH).
Für die konsequente Fortführung dieser Linie bräuchten die Städte allerdings die volle Unterstützung ihrer jeweiligen Bundesländer. „Ein Umweltminister wie Hans-Heinrich Sander, der die Abschaffung von Umweltzonen fordert, um stattdessen am Straßenrand ein paar Bäume zu pflanzen, erweist dem Klima- und Gesundheitsschutz nicht nur propagandistisch einen Bärendienst“, so Saar weiter. Vielmehr sei eine ständige Fortentwicklung der Umweltzonen erforderlich. In Hannover müsse der fließende Verkehr etwa entlang der Göttinger Straße, dem Standort einer von zwei Messstellen, regelmäßig kontrolliert werden. Bei einer Zählung im April dieses Jahres hat die DUH festgestellt, dass vier Monate nach Einführung der zweiten Stufe der Umweltzone über fünf Prozent der Pkw und sogar 18 Prozent der Nutzfahrzeuge regelwidrig nur mit roter oder ganz ohne Plakette in der Umweltzone unterwegs waren.
Rund ein Viertel der Rußemissionen in den Innenstädten stammt aus Baumaschinen. „Auf diesem Feld muss Hannover nacharbeiten. Baumaschinen müssen in die Regelungen der Umweltzone eingebunden werden. Bremen hat es vorgemacht, auch in der Schweiz und in der österreichischen Hauptstadt Wien wird dies bereits praktiziert “, sagte Saar. Die an der Kampagne beteiligten Verbände fordern die Städte auf, bei öffentlichen Ausschreibungen die Ausstattung von Maschinen mit Dieselfiltern im gesamten Stadtgebiet zur Pflicht zu machen.
Dr. Friedrich wies ausdrücklich auf die bislang ungeregelten Quellen der Rangier- und Güterbahnhöfe hin. Der Güterbahnhof Hannover-Linden etwa grenzt unmittelbar an die Umweltzone an. Gleichzeitig hat die Stadt keine Informationen über die hier entstehenden Emissionen. „Wir schätzen den Rußausstoß allein auf den Rangierbahnhöfen Hannover-Linden und Seelze auf etwa 1.400 kg pro Jahr. Das ist eine enorme Belastung und entspricht einem CO2-Äquivalent von 6.000 Tonnen CO2 oder der Fahrleistung eines Mittelklassewagens von etwa 40 Millionen Kilometern“, rechnete der Verkehrsexperte vor. Um die sonstigen Anstrengungen der Stadt durch den zentral gelegenen Rangierbahnhof nicht teilweise wieder zunichte zu machen, sei es dringend nötig, die Rangierloks mit wirksamen Filtersystemen auszustatten. „Die Verbände kämpfen für eine saubere Technik auch bei der Bahn. Die Stadt Hannover sollte sich auch im eigenen Interesse diesen Forderungen anschließen. Beim Neukauf von Rangierloks durch die Deutsche Bahn AG muss sie auf die Ausstattung mit Filtern bestehen.“, so Dr. Friedrich.