Quelle: DUH
Deutsche Umwelthilfe warnt vor Billig-Nachrüstungen in Alt-Reaktoren – Noch intakter Trafo in Krümmel stammt aus Uralt-Kraftwerk Brunsbüttel – Zuverlässigkeitsprüfung des Betreibers Vattenfall darf nicht zur „folgenlosen Routine“ werden – Altreaktoren nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik überprüfen
Berlin: Weil die AKW-Betreiber in Deutschland auf den Ausstieg aus dem Atomausstieg unter einer schwarz-gelben Regierung spekulieren, nimmt das Risiko einer schweren Atomkatastrophe in Deutschland systematisch zu. Auf diesen unter Reaktorsicherheitsexperten diskutierten Zusammenhang hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) anlässlich der neuen Störfallserie im Atomkraftwerk Krümmel hingewiesen.
Statt alternde und besonders störanfällige Reaktoren stillzulegen und nicht genutzte Stromkontingente entsprechend den geltenden Regelungen des Atomausstiegsgesetzes auf neuere Anlagen zu übertragen, versuchten die Betreiber diese Kraftwerke mit Billig-Reparaturen und -Nachrüstungen über den Wahltermin zu retten. Weil die Zukunft der Meiler unsicher sei, würden teure Nachrüstungen, die nach dem Wortlaut des Atomgesetzes dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik genügen müssen, systematisch verweigert.
„Die AKW-Betreiber haben den Ausstiegsvertrag selbst unterzeichnet und spekulieren nun auf seinen Bruch. Union und FDP müssen wissen, welche praktischen Folgen ihre Atomstrategie aktuell für die Sicherheit dieses Landes hat“, sagte der Leiter Politik und Presse der DUH, Gerd Rosenkranz. Die Handhabung des Transformatoren-Problems in Krümmel sei dafür „ein gutes Beispiel“. Vattenfall und Eon hatten den Transformator des AKW Krümmel, der vor zwei Jahren spektakulär ausbrannte, nicht durch einen fabrikneuen ersetzt, sondern den Ersatz im Uralt-Reaktor Brunsbüttel beschafft. Im seinerzeit intakt gebliebenen zweiten Trafo, ist nun trotz „umfangreicher Prüfungen und Analysen“ (O-Ton Vattenfall) ein fast identischer Störfall aufgetreten. Als „zweiter Strang“ stand lediglich der „Austausch-Trafo“ aus dem noch älteren Atomkraftwerk Brunsbüttel zur Verfügung. Rosenkranz: „Die frühere Maxime ´Sicherheit geht vor Wirtschaftlichkeit´ ist längst einer anderen geopfert worden. Die lautet: möglichst billig über die Runden kommen.“ Schon vor drei Jahren hatte der technische Kraftwerksleiter des Brunsbüttel-Reaktors erklärt, umfangreiche Nachrüstungen kämen vor einer Entscheidung über eine Laufzeitverlängerung nicht in Frage. Mit ihrem Widerstand gegen den von ihnen selbst ausgehandelten und unterzeichneten Atomausstieg schaffe die Atomwirtschaft so neue Unsicherheiten. Deshalb müsse die politische Debatte über eine Abkehr vom Atomausstieg aufhören.
Rosenkranz riet den Atomaufsichten in Bund und Ländern, auf das neuerliche Desaster in Krümmel „nicht nur mit einer weiteren Zuverlässigkeitsprüfung des Betreibers zu reagieren“. Vielmehr sei es „jetzt unumgänglich, die Sicherheit von Krümmel, Brunsbüttel und allen anderen Atomkraftwerken zeitnah nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik zu überprüfen.“ Das verlange nicht nur das Atomgesetz. Vielmehr hätte der Bund soeben nach fast sechsjährigen Debatten mit allen Beteiligten, den Stand von Wissenschaft und Technik im neuen Kerntechnischen Regelwerk (KTR) neu bestimmt. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel und seine Kollegin Gitta Trauernicht in Kiel müssten diese Regeln nun auch ohne Wenn und Aber anwenden. Dann könnten weder Krümmel noch Brunsbüttel wieder in Betrieb gehen. Insofern sei es ein „eklatanter Fehler des Bundesumweltministers gewesen, die Anwendung des neuen Kerntechnischen Regelwerks faktisch von der Zustimmung der Länder und letztlich der AKW-Betreiber abhängig zu machen.“
Die von der schleswig-holsteinischen Sozialministerin Gitta Trauernicht angekündigte erneute Überprüfung der Zuverlässigkeit des Betreibers Vattenfall dürfe nicht „zur folgenlosen Routine verkommen“, sagte die Leiterin Klimaschutz und Energiewende der DUH, Cornelia Ziehm. Bei normalen Gewerbetreibenden, zum Beispiel Gastwirten, reichten „ernsthafte Zweifel“ der Behörde an der Zuverlässigkeit, um die Betriebslizenz zu entziehen.
Für das Atomrecht müsse das Bestehen ernsthafter Zweifel an der Zuverlässigkeit in Anbetracht des Gefahrenpotenzials erst recht ausreichend sein, sagte die Juristin. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Beschluss vom 17. April 1990 (Az. 7 B 111/89) ausdrücklich festgestellt, „dass Störfälle im Betrieb eines Atomkraftwerks Anhaltspunkt für die mangelnde Zuverlässigkeit des Betreibers oder der verantwortlichen Personen oder für ungenügendes Wissen des Betriebspersonals sein können“. Ziehm: „Genau so liegt es hier. Die neuen Störfälle in Krümmel und das wiederholte Verschweigen von Vattenfall offenbaren grundlegende Mängel bei den verantwortlichen Personen und in der Organisation des Betriebs.“ Folglich sei nicht auszuschließen, dass deswegen auch künftig ein erhöhtes Risiko bestehe. Der Austausch führender Manager von Vattenfall Europe habe seit 2007 offensichtlich nicht ausgereicht, um die Zuverlässigkeit herzustellen. Offensichtlich lägen die Probleme bei Vattenfall „in den Strukturen und hier in den Gewinnzielen des Konzerns“, sagte Ziehm.