Ab dem 7. August wird bei Sewastopol am Schwarzen Meer ein Camp stattfinden, um gegen den Bau eines riesigen Kohle-Terminals in der Stadt zu protestieren, der die Gesundheit der EinwohnerInnen und die Umwelt der ganzen Region bedroht. Der Awlita-Konzern bereitet im Zentrum Sewastopols (auf der ukrainischen Halbinsel Krim im Schwarzen Meer) den Bau einer Bahn/Schiff-Verladungsstation mit einer Kapazität von 8,5 Megatonnen pro Jahr vor.
Awlita mit Sitz in Sewastopol ist spezialisiert auf Verladung und Transport. Ihr Hauptgeschäft ist der Umschlag von Metall, aber sie betreibt auch ein Getreide-Terminal mit zwei Megatonnen Jahreskapazität, das seit April 2004 in Betrieb ist.
77,12% der Awlita-Aktien hält die zypriotische Firma Metalukr Holding Limited, die die Interessen der Gruppe „Metinwest“ (mit Sitz in Donezk) vertritt, die wiederum unter Kontrolle des ukrainischen Geschäftsmanns Rinat Achmetow steht. Die übrigen 22.88% der Aktien hält die zypriotische Firma L.I.T.A.T. Offshore Company Limited.
Die Investitionen in das Projekt übersteigen 850 Millionen ukrainische Hriwna (80 Mio. Euro). Dieses Projekt sieht vor, die Kaimauern im Bereich der Dokowaja-Bucht auf der Nordseite um 150m zu verlängern und den Hafen auf 17m Tiefe auszubaggern. Außerdem würde ein zusätzliches Bahngleis gelegt. Es ist vorgesehen, die Kohle von den Bahnsteigen auf die Schiffe und zurück umzuladen. Der gesamte Kohleumschlag entspricht der Produktion von fünf Kohlebergwerken.
Die Sewastopoler Bevölkerung leidet bereits jetzt unter den Staubemissionen des Getreideterminals von Rinat Achmetows Awlita-Konzern. Die Menschen bekommen Atemprobleme, und der Lärm stört sehr. Die Folgen eines zusätzlichen Kohleterminals wären fürchterlich. Schon der Umbau des Hafens würde eine Verschlechterung der Wasserqualität und den Tod aller Lebewesen in den Buchten bedeuten. Wenn das Kohleterminal einmal in Betrieb ist, wird die Stadt unter dem Kohlenstaub (Awlita selbst spricht von 300.000 Tonnen pro Jahr) und dem Lärm von Hafen und Bahnlinie zu leiden haben. In der Kohle sind kleine Mengen Germanium, Beryllium, Bor, Antimon, Kobalt, Nickel, Kupfer, Chrom und Selen enthalten. Der austretende Kohlenstaub wird darum die Umgebung mit Schwermetall verseuchen. Dutzende Tonnen Staub werden nicht nur die Wände der Häuser und historischen Bauwerke der Stadt, die aus weißem Stein errichtet sind, bedecken, sondern sie werden auch ihren Weg in die Lungen der EinwohnerInnen finden und das Risiko von Lungenkrebs und Silikose (Staublunge, eine Berufskrankheit von Bergleuten) erhöhen. An den Kohleterminals besteht außerdem die Gefahr der Selbstentzündung der Kohle, wie sie auch auf den Halden der Kohlebergwerke vorkommt.
Die Halbinsel Krim hat eine einzigartige und bisher relativ saubere Natur, sie könnte ein Nationalpark werden. Auch die Meeresströmungen sind zu berücksichtigen, die von Sewastopol nach Jalta und um die ganze Krim herumgehen, d. h. der Dreck von dort wird die ganze Halbinsel und das Schwarze Meer insgesamt beeinträchtigen.
Und das ist nur das erste von vier geplanten Terminals, mit denen die Küstenzone ausgestattet werden soll. Das zweite soll jährlich sechs Megatonnen Koks und Metall umschlagen. Als Ort ist der Bereich des Fischereihafens in der Kamyschowa-Bucht vorgesehen. Auf dem anderen Ufer der Kamyschowa-Bucht ist das dritte geplant, für den Umschlag von bis zu einer Megatonne Kaolin. Beantragt ist außerdem die Genehmigung für eine Verladestation für Flüssiggas in Inkerman.
Früher hat die Leitung des Konzerns versucht, ihre Vorbereitungen zu verheimlichen, jetzt versucht sie aktiv zu beweisen, dass das Kohleterminal der Stadt nur Nutzen bringt. Sogar das Wort „Terminal“ wurde jetzt durch den wohlklingenderen Ausdruck „universeller Verladekomplex“ (UVK) ersetzt.
Bisher können weder die drohenden ökologischen Schäden noch die Proteste der EinwohnerInnen den Bau aufhalten, der heimlich von höchster Ebene unterstützt wird. In den Kabinetten Kiews glaubt man offenbar, dass Achmetows Terminal helfen könnte, die russische Schwarzmeerflotte aus Sewastopol zu verdrängen.
Awlitas Hauptargumente für den Nutzen der Errichtung des Kohleterminals sind die Schaffung neuer Arbeitsplätze (bis zu 300) und steigende Steuereinnahmen für den Stadthaushalt. 150 Millionen Hriwna (ein Sechstel der gesamten Investitionssumme) verspricht sie für Umweltschutz zu investieren. Es wird mitgeteilt, dass der UVK in allen Arbeitsschritten abgeschirmt sein wird, von der Aufnahme der Fracht aus den Schiffen bis zur Verladung in die Waggons. Abgeschottete Förderbänder, Wassernebel-Systeme, Filterungs- und Lüftungssysteme in jeder Phase des Umladevorgangs, zweistufige Staubfangsysteme und ein geschlossenes, automatisches Lager sollen für saubere Luft sorgen. Geschlossene Zelte über den Anlegestellen und ein geschlossener Verladebahnhof sollen die ökologische Unbedenklichkeit bei der Verladung aus den Schiffen und in die Waggons sicherstellen. Die Waggons mit der Ladung sollen mit einer speziellen Polymerfolie abgedichtet werden.
Theoretisch klingt das alles sehr überzeugend, aber die EinwohnerInnen glauben nicht daran, dass ein Kohleterminal im Stadtgebiet unschädlich für die Gesundheit betrieben werden kann. Das ist leicht verständlich – auf der ganzen Welt werden solche Terminals außerhalb der Städte errichtet, nur Awlita will an der Küste der Bucht bauen, direkt neben dem Stadtzentrum. So sind die Ergebnisse der letzten Meinungsumfragen eindeutig negativ: gegen den Bau des UVK sprachen sich 71 bis 99% der Befragten aus.
Gleichzeitig nähert sich der Vorbereitungsprozess für das Projekt dem Abschluss. Nach Durchführung der staatlichen Abschlussuntersuchung kann Awlita mit dem Bau beginnen, dafür ist nicht einmal mehr ein Beschluss der städtischen Behörden nötig.
Jetzt versucht der Konzern, seine öffentliche Wahrnehmung in der Gesellschaft zu verbessern. Awlita wird zu einem der größten Steuerzahler der Stadt, leistet finanzielle Unterstützung für Veteranen, überweist eine Million Hriwna für den Bau des Gornjak-Stadions. Aber eine Mehrheit der BürgerInnen auf seine Seite ziehen kann der Konzern damit nicht. Höchstwahrscheinlich versucht Awlita nur, den Widerwillen gegen das Terminal etwas zu reduzieren.
Die passive Haltung des Präsidenten und der Regierung, die das Projekt stoppen könnten, wenn sie wollten, ermöglicht es, den Bau des UVK weiter voranzutreiben. Dabei ist es ökonomisch nicht zu begründen, warum die Ukraine, die selbst riesige Kohlevorräte hat, Kohle aus Australien, China, Südafrika, Indonesien, USA, Kolumbien und Kanada importieren soll. Doch in den oberen Rängen der Macht ist alles schon entschieden. Die Kartellbehörde der Ukraine hat den Kauf von Alwita, Sewmorsawod und des See-Industrie-Komplexes durch die in der Steueroase Zypern registrierte Metalukr Holding Ltd. erlaubt, die mit der Gruppe Metinvest von Rinat Achmetow durch die Firma System Capital Management verbunden ist. Die Stadtbehörden beugten sich den Interessen des großen Geldes, und am 2. September stimmte der Stadtrat dafür, dem Konzern sechs Hektar für Lagerhallen und 0,6 ha für den Bahnhof zu überlassen (4,1 ha werden für die neue Bahnlinie zum Terminal bereitgestellt). Die Regierung der Ukraine hat beschlossen, einen Teil der Gewässer und der Landfläche der Stadt an Avlita zu verleasen.
MitarbeiterInnen von Alvita bestätigen, dass der Bau schon begonnen hat: Bahngleise werden verlegt, der Konzern erwartet Lieferungen. Wenn wir jetzt zu langsam reagieren, ist es bald zu spät, den Bau zu stoppen! Es hat eine Serie von Protestkundgebungen der Bevölkerung gegeben. Die Leute begreifen allmählich, dass die Politik nie die Probleme der gewöhnlichen Menschen lösen wird, sondern dass sie das selbst tun müssen, ohne offizielle Führer und andere „Verteidiger der Volksinteressen“.
In der Stadt wurden offizielle Anhörungen über das Projekt durchgeführt, aber die Gesellschaft war nicht eingeladen — die EinwohnerInnen wurden „vertreten“ durch ArbeiterInnen von Alvita, die von ihrer Verwaltung zur Teilnahme verpflichtet worden waren. Am Ende des Sommers 2008 fochten EinwohnerInnen dieses Vorgehen gerichtlich an, aber die Gerichte spielen auf Zeit und die Verfahren haben noch nicht einmal begonnen. Als Anhörungen organisiert wurden und die Leute sich dort gegen die Entwicklung aussprachen, beschlossen die Behörden neue „Verfahrensregeln für öffentliche Anhörungen“, die das Recht der Leute, solche Veranstaltungen zu organisieren, drastisch einschränken. Den Behörden ist die Meinung der EinwohnerInnen von Stadt und Region egal. Anhörungen werden sabotiert, der Stadtrat trifft Entscheidungen, bevor ein Referendum durchgeführt werden kann. Es ist offensichtlich, dass wir betrogen werden.
Alle zwei Wochen organisieren die EinwohnerInnen verschiedene Protestaktionen — Mahnwachen, Kundgebungen, Konzerte, Autokorsos usw. Alle EinwohnerInnen der Stadt, auch die, die ein wirtschaftliches Interesse an der Errichtung des Terminals haben, wissen, dass es die Umwelt gefährdet. Die Spannung in der Stadt steigt allmählich. Viele EinwohnerInnen erklären, dass sie nicht nur zu Mahnwachen bereit sind, sondern auch zu radikaleren Aktionen, um den Bau zu verhindern. Fortgesetzt wird auch die Unterschriftensammlung mit der Forderung an den Stadtrat, in der Stadt eine Volksabstimmung über die Pläne von Awlita durchzuführen.
Wenn die „demokratischen Methoden“, mit denen die Gesellschaft den Entscheidungsprozess der PolitikerInnen beeinflussen dürfen, nichts bringen, ist es Zeit für direkte Aktion.
Es wird oft behauptet, dass es keine Alternative zu Koks und Metallverarbeitung gibt, aber das ist nicht wahr. Sie sind nur im Moment nicht profitabel, und darum sollt Ihr, sollen Eure Kinder und FreundInnen Smog atmen und Krebs kriegen. Es ist Zeit, dass wir die Augen öffnen und sehen, dass wir vergiftet werden und dass wir Alternativen haben. Alternativen zum Kapitalismus und seiner unnatürlichen, unmenschlichen Art, Profit zu machen. Die Alternative bedeutet: Alternative Energie, alternative Produktion.
Im August diesen Jahres wird am Rand des Verwaltungsbezirks der Stadt Sewastopol ein Umwelt-Protestcamp gegen den Bau des Kohleterminals stattfinden. Hauptziel des Umweltcamps wird sein, alles mögliche zu tun, um den Bau dieses gefährlichen Objekts in der Stadt Sewastopol, an der Küste des Schwarzen Meeres zu verhindern.
Außerdem soll das Camp Leute aus verschiedenen Regionen und Ländern zusammenbringen, zum Schutz der Ökologie des Schwarzen Meeres und zur Vergrößerung der radikalen Umweltbewegung in der Ukraine und der Bewegung für den Übergang zu alternativen Energien und für die ökologische Ausrichtung der Industrie weltweit.
Für eine ökologisch saubere, abfallfreie Lebensweise.
Wir fordern eine sozial-ökologische Kontrolle der Tätigkeit des Unternehmens.
Das Camp wird am 7. August beginnen und bis in den September dauern. Der Zeltplatz liegt bei Sewastopol, Krim, Ukraine. Für das Essen wird um eine Spende von zwei Euro am Tag gebeten. EinwohnerInnen der EU benötigen für die Einreise und einen bis zu 90-tägigen Aufenthalt in der Ukraine kein Visum, ein Reisepass genügt.
Quelle: indymedia