Keine Bereitschaft, über die Gentechnik überhaupt zu diskutieren
Am zweiten Verhandlungstag wegen der großen öffentlichen Feldbefreiung im letzten Jahr verurteilte Amtsrichter Betz beide Angeklagte zu 45 Tagessätzen. Er ging nicht auf deren Argumentation ein, nach der die anerkannte Gefahr, die von den Genmaispflanzen ausgeht, ihr uneigennütziges Handeln rechtfertigen könnte
Der Anwalt der Angeklagten stellte einen Beweisantrag zum Problem der Auskreuzung und des Bienenflugs. Er beantragte, anstatt einer Vielzahl von Anträgen, die die Feldbefreierin Cecile Lecomte vorbereitet hatte, die Biologin Dr. Martha Mertens als sachverständige Gutachterin zu laden. So wollte er den Prozess abkürzen und doch die wesentlichen Fragen erörtern. Denn der von den Beklagten entfernte Mais war ja kurze Zeit später von der Bundeslandwirtschaftsministerin verboten worden, weil er eine Gefahr für die Umwelt darstellt..
Das Gericht lehnte diesen Beweisantrag ab, da er für das Verfahren unerheblich sei. Ebenso wurden alle weiteren Beweisanträge der Angeklagten abgewiesen. In seinem Schlusswort plädierte der Staatsanwalt für eine Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung zu 60 Tagessätzen. Rechtsanwalt Nold dagegen widerlegte in seinem Plädoyer den Hausfriedensbruch und sah viele, wenn nicht alle Merkmale des gerechtfertigten oder zumindest des entschuldigenden Notstands als in diesen Fällen gegeben an. Er betonte die Uneigennützigkeit der Ziele der Beklagten und bat zu berücksichtigen, dass sie in diesem Sinne keine alltäglichen Straftäter seien. Sie würden öffentlich und gewaltlos handeln und sich der Verhandlung stellen. Deshalb plädierte er auf Freispruch oder höchstens 20 Tagessätze.
Erasmus Müller wies in seinem Plädoyer auf den §34 hin und dass dieser auch den Umweltschutz, der Verfassungsrang habe, beinhalte. Die Gentechnikgegnerin Lecomte dagegen sprach davon, dass der Richter sein Urteil im Namen des Volkes spreche und, da die Menschen in Deutschland laut Umfragen zu 78 Prozent die Gentechnik ablehnten, im Namen des Volkes die Feldbefreier freisprechen müsse. Sie kritisierte auch scharf seine Ablehnung, die Beweisanträge zu bearbeiten: „Das geht doch nicht zusammen: Der Richter hindert uns daran, die von der Gentechnik ausgehende Gefahr zu beweisen, weil dies für die Entscheidung unerheblich sei, während er uns deutlich macht, er könne keine Gefahr erkennen.“
Der Richter verurteilte die Beklagten zu jeweils 45 Tagessätzen. In der Urteilsbegründung betonte der Richter, dass die Beklagten vorsätzlich diese Sachbeschädigung begangen hätten. Sie hätten öffentliches Aufsehen erregen wollen und erschienen ihm unbelehrbar. Deshalb müsse die Strafe höher sein als sie im Strafantrag angesetzt war. Einen Notstand sah er nicht gegeben, weil die Pflanzen zu diesem Zeitpunkt keinerlei Gefahr darstellten. Sie seien doch nur schön grün gewesen. Die angeführten Gründe für den Notstand seien zudem zu weit von persönlichen Rechtsgütern der Beklagten entfernt. Die Beklagten hätten auch nicht alle Möglichkeiten, gegen den Anbau von Genmais vorzugehen ausgeschöpft. Eine Feldbefreiung sei zudem kein erfolgversprechendes Mittel, um die möglichen Gefahren von Genmais abzuwenden, da ja unmöglich alle Felder zerstört werden könnten.
Feldbefreier Erasmus Müller sagte nach dem Urteil: „Natürlich bin ich nicht zufrieden mit dem Ergebnis. Aber dass unsere Feldbefreiung richtig war, haben schon sehr viele Gutachten über die Gefahren des Genmaises belegt. Und dass unser Widerstand wirkt und sich lohnt, durften wir schon drei Monate vor dem Prozess erfahren, als endlich das Genmaisverbot kam. Manchmal dauert es, bis die Rechtsprechung so etwas zugestehen kann. In vielen Hundert Prozessen wurden Friedensaktivisten nach Sitzblockaden vor Atombombenlagern wegen Nötigung verurteilt – bis über das Bundesverfassungsgericht korrigiert wurde und aus der Straftat eine Ordnungswidrigkeit wurde.“ Die Gentechnikgegner wollen Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen.
Für Rückfragen: www.gendreck-weg.de
Pressemitteilung
Gendreck-weg
Dienstag, 21. Juli 2009
Amtsgericht vertagt ersten Feldbefreiungs-Prozess nach fast vierstündiger Verhandlung
Gentechnikgegner verteilen Popcorn mit Knebelverträgen in Kitzingen
Bevor am Montag vor dem Kitzinger Amtsgericht der erste Prozess gegen die Feldbefreier begann, die im letzten Sommer ein Genmaisfeld unschädlich gemacht hatten, verschenkten die Aktivisten Popkorn auf dem Marktplatz in Kitzingen. Erstaunt lasen die Kitzinger den Vertrag, den sie zusammen mit einer Portion Popcorn erhielten. Dort stand geschrieben, dass sie als Popcorn-Esser künftig nur noch die imaginäre Marke „Popup Ready“ beim Konzern kaufen dürften und auch ihre Hände nur mit einer Waschlotion des Konzerns reinigen dürften.
Erasmus Müller, einer der Beklagten, erklärte, wie die Idee zur Aktion entstand: „Die großen Agrar- und Gentechnikkonzerne wollen die weltweite Landwirtschaft kontrollieren. Seit Anbeginn der Landwirtschaft haben Bäuerinnen und Bauern stets ihr Saatgut von Jahr zu Jahr selbst zurückgelegt. Das wollen Gentechnikkonzerne beenden und setzen dabei auch auf die Agro-Gentechnik. Denn gentechnisch manipulierte Pflanzen sind patentierbar. Mit Hilfe ihrer Marktmacht und ihres Einflusses auf Behörden zwingen Gentechnik-Konzerne immer mehr BäuerInnen in Knebelverträge.“ Viele Passanten zeigten sich sehr interessiert und bekundeten, den Verlauf der Prozesse genau zu verfolgen.
Im Gerichtssaal gab es kein Popcorn. Aber vor dem Gerichtsgebäude begrüßten zahlreiche Unterstützer die Angeklagten mit bunten Transparenten, Seifenblasen und Sonnenblumen. Es waren deutlich mehr Menschen gekommen, als der Verhandlungssaal im ersten Stock des Amtsgericht fasste, so dass einige sich zwischendurch abwechselten mit dem Zuhören drinnen und dem Warten draußen.
Beide Angeklagte gaben zu Beginn der Verhandlung eine Erklärung ab. Cecile Lecomte betonte: „Immer wieder handelt die Politik viel zu spät und gefährdet damit die Menschen. So war es zum Beispiel beim Asbest, das lange Zeit legal beim Häuserbau verwendet wurde. Man kann nicht immer warten, bis endlich alle Verantwortlichen akzeptieren, dass es zu gefährlich ist!“ Im Falle des Genmaises habe die Landwirtschaftsministerin in diesem Jahr gehandelt – die Probleme seien aber auch 2008 schon offensichtlich und drängend gewesen. Feldbefreier Erasmus Müller sprach offen über seine eigene Aktion, die ihm dringend notwendig erschien, da die Gentechnik die Zukunft der bäuerlichen Landwirtschaft gefährde, eng verknüpft sei mit industrieller Massentierhaltung und sich die Sicherung der Welternährung auf die Fahnen schreibe, während sie gleichzeitig Armut und Hunger noch befördere.
Nach kurzen Zeugenberichten des Polizei-Ermittlungsleiters und des von der Feldbefreiung betroffenen Bauern begann die Gentechnikgegnerin Cecile Lecomte mit einem Feuerwerk an Beweisanträgen. Sie wollte damit vor allem nachweisen, dass mit dem Anbau des Genmaises ein akuter und von vielen wahrgenommener Notstand vorgelegen habe. Staatsanwalt und Richter lehnten diese Anträge in Reihe ab. Schließlich gelang es aber dem Rechtsanwalt des Feldbefreiers, Siegfried Nold, das Gericht davon zu überzeugen, dass genauer auf das Anliegen der Felbefreierin eingegangen werden müsse. Denn nur, wer das Vorliegen einer Gefahr prüfe, könne abschließend entscheiden, ob die Situation das Herausreißen von Maispflanzen rechtfertige. Beide Angeklagten hatten sich wiederholt auf den entsprechenden Paragraphen 34 über rechtfertigenden Notstand in Strafgesetzbuch berufen. Wie mit diesem Ansinnen nun verfahren wird, blieb offen, da Richter Betz kurz vor halb sechs die Verhandlung schloss und als nächsten Termin den Mittwoch nachmittag um 13.30 Uhr verkündete.
Quelle: www.gendreck-weg.de