Grundgesetz-Änderung im Rahmen des Konjunkturpakets II ermöglicht Förderung außerhalb der Bundeskompetenz – Deutsche Umwelthilfe kritisiert in weiten Teilen richtungslose Finanzspritzen – Aufruf an die Länder, jetzt die Gestaltungsfreiheit für Zukunftsinvestitionen in Klimaschutz und Energieeffizienz zu nutzen – Sinnvolle Maßnahmen wie Green IT kommen bisher zu kurz
Berlin: Die jetzt in Kraft getretene Grundgesetzänderung, wonach die Bundesländer in „im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen“ Finanzmittel des Bundes auch außerhalb von dessen Gesetzgebungskompetenz einsetzen können, eröffnet den Ländern Möglichkeiten, offensichtliche Fehlsteuerungen im Konjunkturpaket II der Bundesregierung nachträglich zu korrigieren. Darauf hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) anlässlich der Veröffentlichung der Grundgesetzänderung im Bundesanzeiger hingewiesen und die Bundesländer eindringlich aufgefordert, diese Chance entschlossen zu nutzen. Dies entspreche im Übrigen auch dem Gebot des Umweltschutzes, der als Staatsziel im Grundgesetz verankert ist.
Insgesamt 10 Milliarden Euro sollen nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz des Bundes für Investitionen in den Ländern bzw. Städten und Gemeinden ausgegeben werden. Insbesondere können die Länder nun mit einer auf Ressourcen- und Klimaschutz zielenden, intelligenten Förderpolitik auch Projekte außerhalb der Bundeskompetenz fördern. Sie haben damit die Möglichkeit, die Wirtschaft durch gezielte Investitionen in zukunftssichere Technologien nicht nur kurzfristig zu stützen, sondern sie gleichzeitig fit zu machen für die Herausforderungen des Klimawandels. „Gerade infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise hat die Politik erheblich an Macht und Handlungsspielraum gewonnen“, erklärte der Leiter Politik & Presse bei der Deutschen Umwelthilfe, Gerd Rosenkranz und könne das bisher eher abstrakte Staatsziel Umweltschutz aus Artikel 20 a des Grundgesetzes konkret voranbringen. „Die Bundesregierung gibt mit der aktuellen Grundgesetzänderung einen Teil ihres Machtzuwachses an die Bundesländer weiter, die nun mit in der Verantwortung stehen, in der Wirtschafts- und Klimakrise den überfälligen ökologischen Strukturwandel zu beschleunigen.“
In den ursprünglichen Beschlüssen von Koalitionsausschuss und Kabinett zum Zukunftsinvestitionsgesetz waren Klimaschutz und Energieeffizienz als ein Schwerpunkt für die Fördermaßnahmen vorgesehen. Von dieser Ausrichtung blieb, dass ein Teil der Gelder zur energetischen Sanierung von Gebäuden verwendet werden soll. Doch auch diese Förderrichtung wurde mittlerweile aufgeweicht. Stattdessen fließen erhebliche Mittel in unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten offensichtlich unsinnige Projekte, wie etwa eine energieintensive -110 °C kalte Kältekammer für Leistungssportler. In Niedersachsen werden in großem Stil digitale Schultafeln an die Schulen verteilt, vielfach ohne dass die hierfür notwendige moderne IT-Grundinfrastruktur vorhanden ist.
Rosenkranz rief die Länder auf, die Bewilligung von Fördermaßnahmen aus dem Konjunkturpaket gezielt von deren „Zukunftstauglichkeit“ abhängig zu machen. „Was wir brauchen, ist eine Art ökologischen Lackmustest für jede einzelne Maßnahme“, bekräftigte Rosenkranz seine bereits bei der Anhörung zum Gesetzesverfahren geäußerte Forderung.
Steffen Holzmann, Projektleiter ecoIT der Deutschen Umwelthilfe, ergänzt: „Viele der jetzt kurzsichtig durchgepeitschten Investitionen gehen auf Kosten der nächsten Generationen. Um seinem Ziel gerecht zu werden, müssen mit dem Konjunkturpaket gezielt und durchdacht Zukunftsinvestitionen getätigt werden.“ Hinsichtlich der Förderung von Informations- und Kommunikationstechnologien könnten die Länder vom Bund lernen, wie man es nicht machen sollte: Nur ein Fünftel der vorgesehenen 500 Millionen Euro werde derzeit vom Bund für energieeffiziente Lösungen bereitgestellt.
„Die Bewilligungen scheinen sich mehr an Formalia auszurichten als an allgemein anerkannten Zukunftszielen etwa im Klimaschutz. Eine solche Förderung verkennt massiv die mit der Wirtschaftskrise verbundenen Zukunftschancen“, sagte Holzmann, „Energie- und Ressourceneffizienz müssen bei Bund und Ländern ein wesentliches Kriterium aller Investitionsentscheidungen im ITK-Sektor werden.“ Der Löwenanteil müsse der Zukunftssicherung und damit Green IT vorbehalten sein. Technische Lösungen, die mittelfristig über Energieeinsparungen sogar insgesamt eine Kostenreduktion erbrächten stünden vielfach bereit: „Ressourceneffiziente Lösungen sind ein mehr als vollwertiger Ersatz für konventionelle IT. Deshalb gilt es, bei allen Investitionsentscheidungen auf diese Techniken zu setzen und so die Gesamtsysteme zu optimieren“, so Holzmann weiter.
Beispiele gebe es genug, zwei davon habe die Deutsche Umwelthilfe bereits als ecoIT Projekte des Monats ausgezeichnet: Die Gemeinde Bad Soden und die im Juni ausgezeichnete Grundschule Mengendamm in Hannover zeigen auf, welche Energie- und Materialsparpotentiale in solchen Projekten steckt. In beiden Fällen konnte der Energieverbrauch pro Arbeitsplatz um mehr als 60 % gesenkt werden.
„Projekte wie diese sind ‚Zukunftsinvestitionen‘ par excellence“, lobte Holzmann. Die neue Freiheit der Länder bei der Förderung eröffne jetzt erstmals die Möglichkeit, solche Projekte auf breiter Front voranzubringen, zumal ein Großteil der Fördergelder in den Bildungsbereich fließen soll. Hier waren die Investitionsmöglichkeiten durch die bisherige Regelung stark eingeschränkt. Die erste Antragsrunde sei gerade abgelaufen, für die zweite Etappe seien zum Beispiel alle Schulen und Schulträger aufgerufen, bei ihren Anträgen im Rahmen des Konjunkturpakets II einen klaren Fokus auf Effizienzsteigerung und Klimaschutz zu setzen.
Quelle: DUH, Deutsche Umwelthilfe e.V.