Protestaktion von Rettet den Regenwald
Zum hundertjährigen Jubiläum verbucht BP Gewinne wie nie zuvor. Mit prall gefüllten Kassen erweitert der drittgrößte Ölkonzern der Welt sein Angebot und wird immer mehr zum allgemeinen Energieversorger. Auf seinem Weg nach oben schreckt BP nicht davor zurück, die letzten Erdölvorkommen wie die kanadischen Ölsande anzuzapfen oder in Kraftstoffe aus Pflanzen zu investieren, die Menschen, Tieren und Pflanzen ihren Lebensraum nehmen.
Die Folgen des Agrosprits sind besonders deutlich in Brasilien sichtbar: Das Land versteht sich laut Präsident Lula da Silva als „grünes Saudi Arabien des Südens“. Hier sollen Unternehmen ideale Bedingungen finden, um in riesige Monokulturen und Industrieanlagen für Pflanzenenergie vom Acker zu investieren. Leidtragende sind die Regenwälder, kostbaren Wasserressourcen, Böden und die Einwohner, deren Lebensgrundlagen entzogen werden. Und das alles unter dem Deckmäntelchen des Klimaschutzes durch „Bio-Sprit“. Das lockt natürlich auch BP. Der Ölmulti will 4 Milliarden Euro investieren, um in Brasilien aus Zuckerrohr Ethanol zu produzieren. Zwei riesige Ethanolfabriken mit einer Jahreskapazität von jeweils 435 Millionen Litern gehören dazu.
Im Bundesstaat Goiás südwestlich der Hauptstadt Brasilia steht Tropical Bioenergia, BPs brasilianische Neuerwerbung. Der mitten im Herzen der Cerrado-Savanne im Bundesstaat Goiás ansässige Industriekomplex nahm im September vergangenen Jahres den Betrieb auf. Nun schießen dort die Zuckerrohrplantagen wie Pilze aus dem Boden – vor allem auf Kosten der Nahrungsmittelproduktion. Während die Front der Rinderzüchter und Sojafarmer weiter nach Norden in die Cerrado-Savanne und Regenwaldgebiete getrieben wurde, dehnt sich die grüne Zuckerrohrwüste in Goiás bereits auf 458.000 Hektar aus. Etwa 60.000 Hektar davon gehen auf das Konto von BPs Ethanolraffinerie. Ein Ende des Verdrängungsprozesses ist nicht in Sicht.
Die Lobbyarbeit von BP ist in vollem Gange: In den USA macht sich der Konzern dafür stark, die bisher geltenden Importzölle für brasilianisches Ethanol aufzuheben. Auch in Europa soll Ethanol leichter eingeführt werden. Der Verband der brasilianischen Zuckerrohrindustrie UNICA rennt seit Jahren die Türen von EU-Kommission und EU-Parlament ein, um der vermeintlich süßen Energie den Weg auf den Kontinent zu ebnen. Ihr Werben hat Erfolg: Im Mai 2008 hatte Bundeskanzlerin Merkel feierlich in Brasilien das deutsch-brasilianische Energieabkommen unterzeichnet. Wider besseren Wissens erliegen deutsche Politiker dem populistischen Reiz des Agrosprits.
Gas geben mit Sprit vom Acker – dafür rührt BP kräftig die Werbetrommel und preist sich als Klimaschützer. In Deutschland, wo BP 2.400 Aral-Tankstellen und die Marke Castrol betreibt, wird Ethanol dem verkauften Benzin für Autos beigemischt. Das schönt die heimische Klimabilanz, doch für Ethanol gehen die brasilianische Cerrado-Savanne und Regenwälder in Flammen auf, getreu des Jubiläumsmottos von BP: 100 Jahre Betrieb an den letzten Fronten.
Übersetzung des Schreibens:
Betreff: Stopp der Investitionen von BP in die brasilianische Ethanolindustrie
Sehr geehrter Herr Tony Hayward,
mit großer Besorgnis habe ich erfahren, dass der BP-Konzern in den kommenden 10 Jahren umgerechnet etwa 4 Milliarden Euro in die Produktion von Ethanol aus Zuckerrohr in Brasilien investieren will.
Der Zuckerrohranbau und die Ethanolproduktion rufen in Brasilien eine Vielzahl von schweren Umwelt- und Sozialproblemen hervor, die selbst durch den Einsatz modernster Technik und der in Zukunft geplanten Zertifizierung nicht vermeidbar sind.
Generell bin ich der Meinung, dass Anbau und Produktion von Agrokraftstoffen auf industrieller Ebene, d.h. auf riesigen Monokulturen und zur Belieferung nationaler und internationaler Märkte, nicht nachhaltig möglich ist. Die Auswirkungen auf Mensch und Natur sind gravierend.
Eins der Hauptprobleme ist der enorme Flächenbedarf auch bei ertragreichen Pflanzen wie Zuckerrohr. Das brasilianische Landwirtschaftsministerium erwartet aufgrund des Ethanolbooms eine Verdopplung der Anbaufläche für Zuckerrohr auf 13 Millionen Hektar bis 2015.
Im Bundesstaat Goias hat sich nach den Satellitendaten des staatlichen „Brasilianischen Instituts für Weltraumforschung“ (INPE) die Zuckerrohranbaufläche mit 458.000 Hektar in 2008/09 in drei Jahren weit mehr als verdoppelt. Tropical Bioenergia benötigt allein etwa 60.000 Hektar Zuckerrohrplantagen. Im Gemeindebezirk von Edeia, wo Tropical Bioenergia angesiedelt ist, ist die Anbaufläche innerhalb eines Jahres von 739 Hektar 2007/08 auf 10.356 Hektar 2008/09 emporgeschnellt.
Um Platz für neue Zuckerrohrmonokulturen zu schaffen, werden natürliche Ökosysteme wie die Cerrado-Savanne und der Regenwald gerodet. Der Verlust natürlicher Lebensräume zerstört die Artenvielfalt, enorme Mengen an klimaschädlichen Kohlendioxid werden durch die Urwaldrodung freigesetzt.
Bestehende Landnutzungen wie die Viehzucht und der Sojaanbau werden durch Flächenkonkurrenz vom Zuckerrohranbau verdrängt und wandern in die Cerrado- und Regenwaldgebiete ein. Die Großgrundbesitzer verkaufen oder verpachten ihr Land an die Ethanolindustrie und investieren das Geld in die Rodung neuer Rinder- und Sojafarmen im Cerrado und Regenwald.
Die Produktion und Anbauflächen der drei Grundnahrungsmittel Brasiliens, Reis, Bohnen und Maniok, sind seit Jahren trotz starken Bevölkerungswachstums rückläufig, die Nahrungsmittelpreise explodieren. Auch die Landpreise in den Anbaugebieten steigen massiv an. Kleinbauern können damit nicht mithalten und verlieren Grund und Boden. 12 Millionen Kleinbauern und Tagelöhner sind ohne Land und die Zahl der Landkonflikte nimmt zu. Von den 5.244 Arbeitern, die 2008 aus sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen befreit wurden, waren 49% Zuckerrohrschneider.
Der Zuckerrohranbau und die Ethanolproduktion verschlingen gewaltige Mengen an kostbarem Wasser für die Bewässerung der Monokulturen und die industrielle Verarbeitung. Die Böden werden ausgelaugt, große Mengen an Düngemitteln, Herbiziden und Pestiziden belasten sensible Gewässer und Grundwasser.
Ich möchte Sie daher bitten, alle Investitionen in die brasilianische Ethanolindustrie zu stoppen, sich von bereits erworbenen Anteilen an Firmen wie Tropical Bioenergia zu trennen und kein brasilianisches Ethanol für die Beimischung zum Benzin zu verwenden.
Mit freundlichen Grüßen