KN druckt nicht: Blick in die Röhre beim Kiel-Kanal

Schiffsabgase - werden kostenlos mit abgegeben...
Schiffsabgase - werden kostenlos mit abgegeben... so besteht nicht nur eine Sichtbeziehung...
Bereits im März veröffentlichten wir auf planten.de einen Leserbrief des Landschaftsarchitekten Dr. Liedl an die Kieler Nachrichten. Dr. Liedl hat jetzt seinen Text aktualisiert – wie so oft druckt die KN einen stadt- bzw. SPD-kritischen Leserbrief bisher nicht ab (Quelle: WIR in Kiel). Auch deswegen hier ein wenig Gegenöffentlichkeit. (A.R.).

Blick in die Röhre beim Kiel-Kanal
Wie sich aus dem KN-Beitrag vom 18.9.2012 bestätigt, hält die derzeitige Mehrheit der Kieler Stadtvertreter offensichtlich hartnäckig an der geplanten Wasserrinne fest und erweist sich renitent gegenüber kritischer fachlicher Einschätzung. Jegliche Alternativvorstellungen zu einer Aufwertung des bisherigen Straßenraumes als Freiraumachse werden unter Verweis auf vor Jahren gefasste Stadtbeschlüsse ausgebremst. Alternativ zum sogenannten Kiel-Kanal könnte die Stadt mit den jetzt für die Grundausstattung des Projektes bezifferten über rd. 11 Mio € im Bereich des Kleinen Kiels großräumig ein Wassererlebnis gestalten und zudem die Achse zum Bootshafen als benutzbaren Freiraum aufwerten – darüber soll offenbar aber nicht öffentlich diskutiert werden um die im Zusammenhang mit dem Betonkanal avisierten Fördermittel nicht zu gefährden. Anstatt mit Kritikern zu reden, werden lieber Fachleute aus ganz Deutschland in die Jury eines Wettbewerbes zur weiteren Ausgestaltung berufen.

Als Begründung für das Projekt dienen unzulängliche Argumente:
1. Entstehung einer offenen Wasserverbindung zwischen Bootshafen und Kleinem Kiel mit Möglichkeit für Bootfahren als Wassererlebnis
Tatsächlich sind beim derzeitigen Kostenansatz die Verbindungen zum Kleinen Kiel und Bootshafen nicht Brücken sondern Betonrohre ohne Durchfahrtmöglichkeit für Boote.

2. Attraktives Wassererlebnis zur Aufwertung der Innenstadt
Tatsächlich entstünde ein 175 m langer 10 m breiter Brackwasserkanal zwischen Beton- wänden. Zur Wasseraufbesserung und Durchströmung müssten am Ende noch energieaufwendige Turbinen eingebaut und betrieben werden, da bereits der Kleine Kiel mit Algenmatten und Geruchsbeeinträchtigung zu kämpfen hat.

3. Besonnte hochwertige Aufenthaltsqualität
Tatsächlich kommt nachmittags die Sonne knapp über die Hausdächer auf der Westseite und erreicht nicht die tief eingebettete Wasseroberfläche: mit Licht durchflutetes blaues Wasser gibt es nur in der Plandarstellung. Anstatt hochwertiger Gastronomie findet sich dann Fastfood mit entsprechendem Verpackungsmüll am bzw. im Kanal.

4. Historische Wiederbelebung der Altstadteinfassung mit Wasser
Leider entbehrt diese Sentimentalität der Rahmenbedingungen, da in der Umgebung keine historische Bausubstanz angrenzt.

5. Großzügige Aufenthaltsstufen ans Wasser ähnlich Bootshafen
Tatsächlich ist hier kaum Raum für breite Stufen – wozu auch unten am Wasser sitzen, zugig im Schatten und an sommerlicher Algenbrühe, um die wenige Meter gegenüber liegende vermutlich besprayte Betonkante visuell zu erleben?

6. Blickbeziehungsachse zwischen Kleinem Kiel und Kieler Förde
Tatsächlich wahrnehmbar ist diese nur in Plandarstellung und Luftbild; in Augenhöhe schaut der Bürger an beiden Enden des Kanals buchstäblich in die hier geplante Röhre bzw. auf der Nordseite noch auf das ehemalige WC-Häuschen.

Immer wieder wird bei diesem 175 m- Projekt der lächerliche Vergleich als „Venedig des Nordens“ zitiert – wenn schon ein Vergleich dann besser vielleicht der eines „Bermudadreieck der Stadtfinanzen“.

Es bleibt für mich als Bewohner aus dem Kieler Umland ein Rätsel, weshalb die Landeshauptstadt sich in dieses unglückselige Wasserrinnenprojekt geradezu verrennt und gleichzeitig tatsächlich vorhandene Wasserqualitäten, für die sie andere Städte im bundesweiten Binnenland beneiden, vernachlässigt. Stilistisch wird hier ein Element kopiert, was in ähnlicher Form in anderen Städten realisiert wurde und dabei verkennt Kiel authentische Entwicklungschancen mit der großen Wasserfläche des Kleinen Kiels.
Und wer das Kanalprojekt hier in Kiel nicht für schön und zweckmäßig hält, dem geht es wie im Märchen mit ‚des Kaisers neuen Kleidern’, der ist für eine angemessene Wahrnehmung einfach zu blöd.

Dr.-Ing. F. Liedl

Ein Gedanke zu „KN druckt nicht: Blick in die Röhre beim Kiel-Kanal“

  1. Die Kieler Nachrichten – KN – haben heute (28.9.2012) auf ihrer Leserbriefseite mehrere (ausnahmslose kritische) Leserbriefe zum Kiel-Kanal veröffentlicht. Darunter befindet sich auch der obige von Dr. Liedl – allerdings sehr stark gekürzt und durch eine Wortvertauschung sinnentstellt. :-(

Kommentare sind geschlossen.