Über 100 Tote in Dhaka, fast 300 Tote in Karatschi
Angesichts des furchtbaren Brands in der Textilfabrik Tazreen Fashions in Dhaka/Bangladesh am Samstag, den 24. November fordern die Kampagne Saubere Kleidung in Deutschland und Österreich, medico international und das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in einer gemeinsamen Erklärung einen grundlegenden Wandel im Verhältnis der deutschen Auftraggeber zu solchen Unternehmen.
In der Fabrik in Dhaka ließen nach jetzt vorliegenden Kenntnissen die deutschen Unternehmen C&A und KiK Kleidung für den deutschen und österreichischen Markt produzieren. KiK war auch der Hauptauftraggeber der Fabrik Ali Enterprises in Karatschi/Pakistan, in der es am 11. September zu einem ähnlich furchtbaren Brand kam. Der Brand in Dhaka/Bangladesh forderte 112 Tote und 200 Verletzte, in Karatschi/Pakistan starben vermutlich 300 Menschen.
„Das erste, was jetzt erfolgen muss, ist die umfassende Entschädigung der Betroffenen“, sagt Miriam Saage-Maaß vom European Center for Constitutional and Human Rights. „Den Überlebenden und Hinterbliebenen des Brandes in Karatschi hat KiK 1 Million Dollar angeboten: Das ist deutlich zu wenig. Unsere Partner in Pakistan haben Strafanzeige eingereicht, wir halten es für entscheidend, dass die Verantwortlichen juristisch belangt werden.“
„Dass es in so kurzem Abstand zu zwei solchen Unglücken kommt, ist kein Zufall“, sagt Thomas Seibert von medico international. „Ein solcher Brand hätte auch eine Woche später oder früher ausbrechen können, bei fast jeder anderen Weltmarktfabrik in Karatschi oder in Dhaka. Dazu passt, dass es schon heute wieder zu einem Brand in einer Fabrik in Dhaka kam, der glücklicherweise nur zu Rauchvergiftungen führte.“
Gemeinsam mit ihren Partnern in Pakistan bzw. Bangladesh fordern die vier Organisationen die volle Entschädigung der Überlebenden und Hinterbliebenen, eine umfassende und unabhängige Aufklärung der beiden Brandkatastrophen und die verbindliche Durchführung aller Maßnahmen zur Verhütung künftiger Katastrophen.
„Laut Regierungsangaben starben in Bangladesh in den letzten sechs Jahren 471 Menschen bei Bränden in verschiedenen Fabriken“, sagt Lars Stubbe von der deutschen Kampagne für Saubere Kleidung. „Viele Fabriken sparen sich Brandschutzmaßnahmen, Notausgänge sind nicht selten versperrt, Türen zugestellt, Fenster vergittert. Die Gebäude sind oft gar nicht dazu ausgelegt, als Produktionsanlagen zu dienen.“
Der miserable Zustand der Gebäude ist aber nicht die einzige Gemeinsamkeit. Alle diese Fabriken arbeiten auf ausländische Rechnung, die Auftraggeber sitzen in den USA und in der EU, auch in Deutschland. „Der fehlende Brandschutz ist nur eines der Übel. Die Entlohnung liegt oft unter der Armutsgrenze von 2 Dollar täglich, die Arbeitszeit liegt bei zehn bis vierzehn Stunden, gewerkschaftliche Organisation ist untersagt oder wird massiv behindert“, sagt Christine Esterbauer von der österreichischen Kampagne für Saubere Kleidung.
Damit sich die Unternehmen mit ihren Entschädigungen nicht nur freikaufen, fordern die Kampagne für Saubere Kleidung, medico international und das ECCHR nicht nur die strikte Einhaltung der Brandschutzmaßnahmen, sondern auch grundlegend verbesserte Arbeitsbedingungen und die volle Anerkennung des Rechts auf freie gewerkschaftliche Betätigung. Die Forderung geht jetzt an C&A und KiK, richtet sich aber an alle Unternehmen, die bei Tazreen produzieren ließen. Weil Tazreen Fashions und Ali Enterprises behaupten, dass sie ihre Produktionsanlagen von unabhängigen Gutachtern überprüfen ließen, müssen auch diese Gutachter zur Rechenschaft gezogen werden.
Gisela Burckhardt von FEMNET, Mitglied der Kampagne für Saubere Kleidung, kritisiert: „Die Probleme müssen endlich grundsätzlich angegangen werden. Wir fordern alle Unternehmen, die in Bangladesch einkaufen, auf, endlich ihrer nötigen Sorgfaltspflicht nachzukommen.“ Ein Schritt dahin wäre die Unterzeichnung des Brandschutzabkommens, das gemeinsam mit bangladeschischen Gewerkschaften und anderen internationalen Arbeitsrechtsorganisationen Anfang 2012 in Bangladesch erarbeitet worden ist. Bisher haben PVH und Tchibo das Abkommen unterzeichnet.
Quelle: medico international