Sammeleinwendung zum Rückbau des AKW Brunsbüttel

AKW Brunsbüttel - E.on in der der Schwangerschaft schadet Ihrem Kind - mittlerweile: Vattenfall
AKW Brunsbüttel - E.on in der der Schwangerschaft schadet Ihrem Kind - mittlerweile: Vattenfall
Quelle: Brokdorf akut
Sammeleinwendung betreffend den Antrag zum Bau eines Lagers für schwach- und mittelradioaktive Stoffe (LasmA) und den Antrag zur Stilllegung und Abbau des AKW Brunsbüttel
Mir als Einwender/Einwenderin ist es unmöglich zu beurteilen, ob ich durch den geplanten Abriss des AKW Brunsbüttel in meinen Rechten verletzt werde; denn es wird kein Gutachten über die zu erwartende Strahlenbelastung vorgelegt und im Antrag fehlt ein radiologisches Gesamtkataster,
aus dem sich ergibt, welche radioaktiven Stoffe in welcher Höhe im AKW Brunsbüttel vorhanden sind, welche Atomabfallstoffströme zu erwarten sind und wo und wie der Atommüll entsorgt werden soll. Es wird nicht angegeben, zu welchen Anteilen der Atommüll in die Luft, in die Elbe, in das ebenfalls beantragte Atommülllager, auf (welche?) Deponien oder als sog. „freigemessene“ Baustoffe und Schrott in die Umwelt entsorgt werden soll.

Das Dekontaminieren der radioaktiv verseuchten Materialen stellt eine enorme Strahlengefahr für die ausführenden Mitarbeiter dar und widerspricht dem Strahlenminimierungsgebot. Der ausgebaute Stahl gelangt in Kochtöpfen, Zahnspangen usw. zum Menschen zurück.

Die beantragten Abgabemengen an radioaktiven Gasen und Stäuben über den Kamin werden in ihrer Höhe nicht begründet. Sie können sogar bis zu 100mal höher sein, als die im Leistungsbetrieb getätigten Emissionen. Die beabsichtigten Freisetzungen in die Elbe werden gar nicht beziffert. Vattenfall will sich einen Freibrief ausstellen lassen, um (End)Lagerkapazität einzusparen: der Missbrauch von Mensch und Umwelt als Abfalldeponien stellt die billigere Entsorgungsmöglichkeit dar. Dies gilt es zu verhindern.

Auch die Hektik, mit der der Abriss erfolgen soll, stellt eine unnötige Strahlengefahr dar. Vor Abrissbeginn sind alle 517 Brennelemente aus dem Reaktor und die 13 Defektstäbe zu entfernen. Ihrem Transport nach Brokdorf widersprechen wir schon jetzt.

Im beantragten Lager soll radioaktives Material, das mit einer Strahlungsintensität von bis zu 500 000 000 000 000 000 radioaktiven Zerfällen pro SEKUNDE strahlt, eingelagert werden. Da ein Gesamtkataster fehlt und keine konkreten Angaben über den Verbleib der radioaktiven Abfälle vorliegen, ist nicht nachgewiesen, dass ein derart großes Lager benötigt wird.

Bitte unterschreiben Sie leserlich. Sie können zusätzlich persönliche Einwendungen schreiben. Die Antragsunterlagen finden Sie im Internet unter: MELUR.
Eine detaillierte Einwendung ist in Vorbereitung und unter www.Brokdorf-akut.de erhältlich.
Die Listen bitte zurückschicken bis zum 20.4.15 an Brokdorf-akut, Dorfstr. 15, 25576 Brokdorf. Sie sollen am 24.4. um 11 Uhr im Stadtbauamt Brunsbüttel abgegeben werden.

Erläuterung zur Sammeleinwendung:

Wie geht strahlenminimierter Rückbau?

Im Antrag der Fa.Vattenfall für den Rückbau des AKW Brunsbüttel werden nur wenige konkrete Zahlenangaben gemacht. Dazu wird das MELUR demnächst einen Antrag auf Vorlage der benötigten Unterlagen erhalten.

U. a. wird im Sicherheitsbericht kein Massenflussdiagramm für den Verbleib der radioaktiven Stoffe vorgelegt und keine Nuklidvektoren angegeben (welche Nuklide, welche Menge und Konzentration für die verschiedenen Anlagenteile), obwohl diese Angaben zu den Unterlagen gehören, die ausgelegt werden müssen.
Das erschwert es erheblich, fundierte Einwendungen zu formulieren.

Die sind jedoch erforderlich, um einen Genehmigungsbescheid für einen möglichst strahlenminimierten Rückbau zu erhalten.

Warum Vattenfall ohne diese Angaben durchkommt?
Dazu habe ich folgenden Erklärungsversuch:
Die AKW-Betreiber können derzeit von den Atomaufsichtsbehörden NICHT gezwungen werden, einen Abrissantrag zu stellen.

Bei dieser Rechtslage ist die Atomaufsicht in Kiel froh, dass Vattenfall überhaupt einen Antrag auf Abriss gestellt habt. Sie traut sich nicht, die Offenlegung der gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen zu erzwingen.

In § 6 Abs.1 der Strahlenschutzverordnung (StrlSchVO) steht als übergeordnetes Prinzip die Strahlenminimierung:
„Wer eine Tätigkeit nach § 2 Abs.1 Nr. 1 plant oder ausübt, ist verpflichtet, jede unnötige Strahlenexposition oder Kontamination von Mensch und Umwelt zu vermeiden.“

Dem widersprechend wurde von der damaligen rotgrünen Bundesregierung der § 29 in die StrlSchVO eingefügt. In Absatz 1 heißt es dort:
„Der Inhaber einer Genehmigung … darf radioaktive Stoffe sowie bewegliche Gegenstände, Gebäude, Bodenflächen, Anlagen oder Anlagenteile, die aktiviert oder kontaminiert sind. … als nicht radioaktive Stoffe nur verwenden, verwerten, beseitigen, innehaben oder an einen Dritten weitergeben, wenn die zuständige Behörde die Freigabe erteilt hat … “
Wie die Freigabe zu erfolgen hat, wird dann auf sehr komplizierte Weise festgelegt.
Die Freigabe nach § 29 StrlSchVO widerspricht dem § 6 StrlSchVO fundamental, weil sie die Verteilung von (gering) radioaktiv belasteten Materialien in die Umwelt gestattet.

Hinzu kommt, dass die Dekontaminierung (aber auch die Konditionierung) der radioaktiv belasteten Materialien eine Schweinearbeit ist. Für die Dekontaminierung werden zusätzlich ins AKW eingebrachte Materialien radioaktiv verstrahlt: Sand zum Sandstrahlen, Wasser für Hochdruckreiniger, Arbeitswerkzeuge, Masken, Strahlenschutzanzüge usw. Und wehe, wenn die Schutzanzüge und Masken bei der Arbeit undicht werden!

Beim Dekontaminieren fallen radioaktive Stoffe (Stäube, Gase) an, die nur teilweise herausgefiltert werden; denn Filter sind teuer und müssen (end)gelagert werden. Stäube und Gase gelangen so zum Teil mit dem Abwasser und der Abluft in die Umgebung. (Die enorme Höhe der von Vattenfall beantragten Emissionen wird physikalisch/technisch nicht begründet.) Falls die Emissionen in der Höhe gestattet werden, wie sie beantragt sind, ist zu befürchten, dass durch den Abriss pro Jahr mehr Radioaktivität in die Umwelt gelangt als beim Leistungsbetrieb – ein Unding!

Die teilweise von radioaktiven Stoffen (mit welchem Wirkungsgrad?) gereinigten Materialien wandern dann in Stahlschmelzen (strahlende Kochtöpfe und Zahnspangen), auf Deponien, in den Straßenbau, auf Felder und Gewässer, wo sie unsere Nahrungsmittel kontaminieren. Ein Bescheid muss regeln, wie viel welchen Materials auf welche Deponie entsorgt werden darf, damit sicher gestellt ist, dass die erlaubte Strahlendosis von 10 µSv pro Jahr und Person eingehalten wird.
Z. B. darf freigemessener Stahl neben weiteren Nukliden eine Cäsium137-Konzentration von 600 Bq aufweisen.

Diese Belastungen für Menschen und Natur sind vermeidbar, wenn eben NICHT dekontaminiert wird, sondern die ausgebauten Anlagenteile (nuklidfreie Gebäudeteile ausgenommen) nach Konditionierung und Portionierung direkt in endlagerfähige Fässer/Gebinde/Container gestellt werden.

Das Bundesumweltministerium hat in seiner Begründung für die Einführung des § 29 im März 2001 in schonungsloser Offenheit dargelegt:
„In die Abwägung … fließen … Überlegungen der Risikoakzeptanz ein. Dabei müssen auch wirtschaftliche Erwägungen, z. B. die Kosten der Endlagerentsorgung, einbezogen werden.“
Zugespitzt formuliert hat sich der Gesetzgeber so entschieden:

Die Vermeidung von Kosten für die Betreiber geht vor Strahlenschutz.

Um welche Mengen an freigemessenem Material es geht, möchte ich noch überschlägig erläutern:

Aus dem AKW Brunsbüttel sollen (dazu fehlen konkrete angaben im Antrag und im Sicherheitsbericht) ca. 6.000 Tonnen radioaktiv belastetes Material freigemessen werden. Dieses Material ist dann nach dem Gesetz nicht mehr radioaktiv. Ohne Freimessung beanspruchen die ca. 6.000 Tonnen ein (Endlager)Volumen von lediglich ca. 1000 m³ (das ist ein Würfel von 10 m Kantenlänge, das spezifisches Gewicht von Stahl ist ca. 7.8 g /cm³).

Würden in einer Genehmigung niedrigere Grenzwerte für das Freimessen festgesetzt(dazu ist die Atomaufsicht befugt, und unser heftiger Widerstand soll die Genehmigungsbehörde dazu ermutigen), würde entsprechend weniger radioaktiv belastetes Material in den normalen Wirtschaftskreislauf entlassen.

Welch Anachronismus: Nach dem SuperGAU in Fukushima versuchen die Japaner vernünftigerweise, radioaktive Stoffe von Häusern, Straßen, Gärten zu entfernen und in (Plastik)säcken zu lagern. Und wir haben nichts Besseres zu tun, als radioaktives Material, dass nur ein geringes Volumen einnimmt, in der Umwelt zu verteilen.

Grobe Abschätzung der durch die Freimessung zu erwartenden Gesundheitsschäden pro Jahr.

Durch die natürliche Strahlenbelastung von 1mSv/a (nicht die von der Lobby genannten 2.4 mSv/a) sind in einem Land mit 80 Mio. Menschen ca. 8.000 Tote pro Jahr zu erwarten.
Würde die durch Freimessung akzeptierte Dosis von 10 µSv/a alle Deutschen (das ist eine sehr konservative Annahme) treffen, würden ca. 80 zusätzliche Tote pro Jahr zu beklagen sein sowie eine erheblich größere Anzahl von Krebs- und anderen Erkrankungen sowie genetischen Schäden.