Ein guter Tag für die Demokratie: Das Bürgerbegehren Katzheide scheint gewonnen
Für die Freundinnen und Freunde des Kieler Freibades Katzheide zeichnet sich ein großer Erfolg ab: In einer Pressekonferenz erklärten SPD, Grüne und SSW heute, dass sie dem Bürgerbegehren zustimmen wollen. Sollte der Antrag (unten dokumentiert) der Kooperation von der Kieler Ratsversammlung am 15.10.2015 angenommen werden, ist damit ein Bürgerentscheid hinfällig und das Bürgerbegehren erfolgreich gewonnen!
Das ist zunächst gut, weil es der Landeshauptstadt Kiel Geld und den Bürgerinnen und Bürgern einen Urnengang spart.
Wer aber die Vorgeschichte kennt, sollte sich nicht von der Presseerklärung (unten dokumentiert) täuschen lassen.
Anders als dort behauptet, war die Entscheidung zu Katzheide keineswegs offen. Vielmehr gab es schon 2009 erhebliche Proteste gegen die Schließung von Katzheide, die im Ergebnis dazu führten, dass die Entscheidung vertagt wurde auf den Zeitpunkt nach der Eröffnung des Zentralbades (dessen Bau sich bereits mehrere Jahre verzögert hat und von den geplanten 17 Millionen Kosten gemütlich auf die 30 Millionen hin maschiert). Sogar in der Öffentlichkeit wurde aber von einzelnen Politikern ganz klar formuliert, dass man sich nichts vormachen dürfe: „Wenn das Zentralbad steht, wird Katzheide dicht gemacht“ so die Aussage eines stadtbekannten Lokalpolitikers vor Jahren. Nicht weil es SPD und Grüne in Kiel gibt, behalten wir Katzheide sondern obwohl es sie gibt.
Stadtrat Stöcken (SPD) versuchte im Herbst 2014 das unliebsame Thema endlich vom Tisch zu bekommen. Zufällig zum Wintereingang entdeckte man Gesundheitsgefahren, die man später nicht belegen konnte. Auch wurden enorme Kosten genannt, die einer Überprüfung nicht standhielten und ohne Angebotseinholung ermittelt worden waren. Jedenfalls standen die damals genannten rund 750.000 (die zufällig später wieder in der Kostenschätzung der LH Kiel zum Bürgerbegehren auftauchen sollten) in keinerlei Verhältnis zum akuten Reparaturbedarf, der wie sich später herausstellte nur ein Bruchteil betrug.
Meine damalig öffentlich vorgetragene Analyse, dass es sich um ein taktisches Vorgehen handelt, sehe ich durch die Abläufe der folgenden Monate bestätigt:
– Um die Parteien, die Katzheide schließen wollen (SPD, GRÜNE, SSW, CDU, FDP) nicht zu schädigen, wird auf dem kalten Verwaltungswege versucht, das Bad abzuwickeln (Gesundheitsgefahr; riesige Reparaturkosten)
– Der Zeitpunkt ist vordergründig taktisch gut gewählt: Im Winter lässt es sich viel schlechter zur Katzheide mobilisieren und vor allem in der Langfristtaktik schlau: Weit weg von Kommunal- und Oberbürgermeisterwahlen.
Aber das ging nach hinten los. Wie peinlich für die Landeshauptstadt, die SPD und insbesondere Stadtrat Stöcken: Monatelang wurden sie mit ihren nicht belegbaren Behauptungen vorgeführt. Absolutes Highlight in diesem teils surrealistischen Spiel war wohl die Entdeckung der unbekannten Lebensform, die so gefährlich ist.
Doch zurück zum Aktuellen: Natürlich ist das für mich und die beiden anderen Vertretungsberechtigten und die vielen Menschen, die teils seit Jahren aktiv für den Erhalt unseres Freibades eintreten ein Riesen-Erfolg. Ich bin wirklich dankbar für die Unterstützung die die Sache durch Stadtteilini Gaarden, den neugegründeten Verein Katzheide JA! und – ebenfalls seit Jahren – die Evangelische Kirchengemeinde Gaarden und die Wählergemeinschaft WIR in Kiel e.V. erfahren hat. Ohne diese Ausdauer und aktuell das Bürgerbegehren, hätten wir dieses Jahr nicht die Teilöffnung des Bades und die für nächstes Jahr beabsichtigte vollständige Öffnung erreicht. Es ist sehr schön, erleben zu können, wie sehr unterschiedliche Menschen es schaffen, am gemeinsamen Ziel gemeinsam zu arbeiten.
Von diesem Erfolg darf man sich aber nicht blenden lassen: Ebenfalls im Winter analysierte ich zum Unglauben einiger öffentlich: Wenn Verwaltungsspitze und Rot-Grün einen Rest an politischer Schlauheit haben, werden sie spätestens nach der erfolgreichen Abgabe der Unterschriften für das Bürgerbegehren einknicken: Warum sollte sie sich eine extrem deutliche Niederlage bei einem Bürgerentscheid abholen. So gesehen, bewerte ich das Einlenken der Ratsmehrheit zwar als positiv, aber lediglich taktisch motiviert.
Für viele Menschen in Kiel ist der Erhalt unseres Freibades eine Herzensangelegenheit – für viele Ratsmitglieder lediglich eine Kröte, die aus taktischen Gründen geschluckt werden muss. Auch weil man damit die gefürchtete gleichzeitige Abstimmung zur Olympia-Bewerbung vermeidet.
Aktuelles Beispiel: Nachdem die Unterschriften gezählt waren und es klar war, dass die notwendige Anzahl gültiger Unterschriften zusammen kam, referierte Stadtrat Stöcken dies auf einer Veranstaltung der Grünen. Ebenfalls wurde dort erläutert, dass Rot-Grün das Bürgerbegehren unterstützen wolle. Trotz mehrerer Gesprächsangebote seitens der Vertretungsberechtigten hielt es die Landeshauptstadt Kiel nicht für nötig, die Vertreter des Bürgerbegehrens über das Ergebnis zu informieren. Erst heute und erst auf Nachfrage entschuldigte man sich für das Versäumnis.
Ich will gar keine Absicht unterstellen, aber es wirft ein bezeichnendes Licht auf das Verhältnis Verwaltungsspitze, ja man muss leider sagen, gegen Bürger, dass die eigentlichen Träger des Verfahrens vergessen werden. Das ist weit mehr als im bürgerlichen Sinne unhöflich um nicht zu sagen unmöglich. Das signalisiert das völlige Unverständnis von unserer Kommunalverfassung, in deren Mittelpunkt der Mensch steht und dessen Mitwirkung am Gemeinwesen und eben nicht eine Verwaltungsstruktur oder politische Parteien.
Gleiches gilt für die parteipolitischen Strukturen: Es ist schön, dass SPD, SSW und Grüne das Begehren unterstützen wollen. Aber auch der Kooperation wurden mehrere Gesprächsangebote gemacht, die nie beantwortet wurden. Stattdessen geben die drei heute für SHZ und KN eine Pressekonferenz. Auf die dortige Darstellung will ich jetzt nicht weiter eingehen – machen Sie sich selber ein Bild. Aber: Wenn diesen Parteien Katzheide eine Herzensangelegenheit wäre, dann hätten sie offen eingeladen alle diejenigen, die sich für den Erhalt von Katzheide stark machen, um gemeinsam Schritte zum langfristigen Erhalt unseres Bades zu erörtern. Stadtdessen tun sie wie immer so, als hätten sie grad mal eine gute Idee gehabt. Entschuldigung, aber das ist langweilig und unglaubwürdig.
Auch deswegen lohnt sich auch die genaue Beobachtung aller weiteren Anträge zu Katzheide im Rat (einer ist unten stehend dokumentiert), des Bürgerbeteiligungsverfahrens zur Nachnutzung von Katzheide, das schnell mal einen neuen Titel und Inhalt bekommt sowie den tatsächlichen Maßnahmen, die für den Erhalt von Katzheide in den nächsten Jahren ergriffen werden.
Textdokumention: Antrag Ratsversammlung Zustimmung zum Erhalt des Schwimmbades Katzheide
Drucksache 0827/2015 – 30.09.2015
15.10.2015, Ratsversammlung
SPD-Ratsfraktion
Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
SSW-RatsfraktionBetreff:
Zustimmung zum Erhalt des Schwimmbades KatzheideAntrag:
Mit Bezug auf das Bürgerbegehren zum Erhalt des Schwimmbades Katzheide der Vertretungsberechtigten Uwe Hagge, Hartmut Jöhnk und Andreas Regner beschließt die Ratsversammlung:
Das Schwimmbad Katzheide bleibt erhalten.Begründung:
Mit der Fragestellung „Sind Sie für den Erhalt des Schwimmbades Katzheide?“ wurde ein Bürgerbegehren initiiert. Das Land hat die Rechtmäßigkeit und damit die Zulässigkeit festgestellt. Die erforderliche Anzahl von Unterschriften konnte innerhalb einer sehr kurzen Frist zusammengetragen werden. Viele Kielerinnen und Kieler machen in diesem Bürgerbegehren deutlich, dass das Freibad Katzheide zur Badelandschaft Kiels gehört.Das Anliegen des Bürgerbehrens fügt sich inhaltlich in die Beschlusslage der Ratsversammlung ein. Das bisherige Verfahren, über eine künftige Nutzung des Sommerbades Katzheide nach Eröffnung des Sport- und Freizeitbades an der Hörn zu beraten, wird somit abgekürzt. Dadurch hat sich Punkt 1.5 der Drs. 1141/2009 erledigt. Die konkreten Maßnahmen für den Erhalt des Sommerbades Katzheides müssen von der Ratsversammlung beschrieben werden.
Textdokumention: Antrag Ratsversammlung Weiteres Vorgehen Katzheide
Drucksache 0828/2015 – 30.09.2015
SPD-Ratsfraktion
Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
SSW-RatsfraktionBetreff:
Planungsschritte zum Erhalt des Freibades KatzheideAntrag:
1. Die Verwaltung wird beauftragt, die notwendigen Reparaturarbeiten am Schwimmerbecken so rechtzeitig durchzuführen, dass der Schwimmbetrieb ab der Badesaison 2016 möglich wird. Die notwendigen Haushaltsmittel hierfür sind im Haushalt 2016 zu veranschlagen. Sie sollen aus dem Einzelplan des Sozialdezernats, ggf. durch Umschichtungen, gedeckt werden.
2. Die Verwaltung wird beauftragt eine Kostenschätzung vorzulegen, die Auskunft darüber gibt, welche weiteren Arbeiten darüber hinaus erforderlich sind, einen Weiterbetrieb des Freibades verantwortbar (Wasserqualität, technische Sicherheit) zu realisieren.
3. Im von der Ratsversammlung beschlossenen Verfahren zur Öffentlichkeitsbeteiligung für die Weiterentwicklung des Sommerbades Katzheide – Drs. 0903/2014 – wird die Fragestellung des Weiterbetriebes verankert.
4. Gemeinsam mit den Vertretungsberechtigten und weiteren noch zu bestimmenden Akteuren soll geprüft werden, wie ein Betriebs- und Betreibermodell ausgestaltet werden kann, um den langfristigen Betrieb sicherzustellen. Dabei sollen in einem Verfahren die Sichtweisen und Vorschläge der Nutzerinnen und Nutzer sowie der Initiative „Katzheide Ja“ zum Weiterbetrieb des Freibades Katzheide aufgegriffen werden. Sowohl dem Ausschuss für Schule und Sport als auch dem Sozialausschuss ist über den Fortgang des Verfahrens regelmäßig zu berichten.Begründung:
Mit der Fragestellung „Sind Sie für den Erhalt des Schwimmbades Katzheide?“ wurde ein Bürgerbegehren initiiert. Das Land hat die Rechtmäßigkeit und damit die Zulässigkeit festgestellt. Die erforderliche Anzahl von Unterschriften konnte innerhalb einer sehr kurzen Frist zusammengetragen werden. Viele Kielerinnen und Kieler machen in diesem Bürgerbegehren deutlich, dass das Freibad Katzheide zur Badelandschaft Kiels gehört und auch zukünftig gehören soll. Die Ratsversammlung stimmt der mit dem Bürgerbegehren verlangten Maßnahme, dem Erhalt des Freibades Katzheide, zu.Die bisherigen Aktivitäten der Verwaltung, Reparaturenlösungen für einzelne Probleme unterhalb einer Totalsanierung Katzheides zu finden, waren erfolgreich. Die Verklebung der Einspüldüsen und die mikrobiologische Begutachtung der Folien im Jahr 2015 zeigen, dass eine unmittelbare Schließung Katzheides nicht notwendig war. Der Nichtschwimmerbereich konnte auch in diesem Jahr genutzt werden. Dieser verantwortungsbewusste Weg soll fortgesetzt werden. Für 2016 soll im nächsten Schritt das Schwimmerbecken wieder für den Badebetrieb hergestellt werden. Die vergleichsweise geringen Kosten sind im Haushalt zu veranschlagen. Nach Auskunft der Verwaltung betragen die Kosten der notwendigen Reparaturarbeiten für das Jahr 2016 zwischen 25-50.000 Euro. Diese sollen aus dem Einzelplan des Sozialdezernates – ggf. durch Umschichtungen – gedeckt werden.
Dieses deutliche Ergebnis sowohl aus dem Bürgerbegehren als auch die erfolgreichen Bemühungen der Verwaltung sind Anlass für die Kooperation, das Freibad Katzheide auch weiterhin in Betrieb zu halten. Nach erfolgreicher Reparatur des Nichtschwimmerbeckens ist inzwischen die Reparatur des Schwimmerbeckens in Auftrag gegeben worden, damit die Voraussetzungen für einen vollständigen Betrieb in der Saison 2016 geschaffen sind.
Das Verfahren zur Öffentlichkeitsbeteiligung für die Weiterentwicklung des Sommerbades Katzheide ist im Rahmen der mit dem Bürgerbegehren verlangten Maßnahme um die „Weiterentwicklung mit Badebetrieb“ zu ergänzen, auf deren Grundlage eine Entscheidung über die künftige Nutzung von der Ratsversammlung getroffen werden kann. Darüber hinaus wird ein Angebot unterbreitet, das zukünftige Betriebs- und Betreiberkonzept für das Freibad auch nach der Fertigstellung des Sport- und Freizeitbades gemeinsam zu entwickeln.
Textdokumention: Presseerklärung von SPD, SSW und Grünen zu ihrem Einlenken
Badebetrieb in Katzheide aufrecht erhalten – Zukunft des Freibades jetzt diskutieren
Zur Zustimmung zum Bürgerbegehren erklären Torsten Stagars, Wolfgang Schulz und Michael Schmalz (SPD-Ratsfraktion), Lydia Rudow (Ratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen), und Sven Seele (SSW-Ratsfraktion):
„Viele Kielerinnen und Kieler setzen sich im Bürgerbegehren für den Erhalt des Freibades Katzheide ein. Dabei haben Kielerinnen und Kieler über den Stadtteil Gaarden hinaus mit dem Bürgerbegehren deutlich gemacht, dass das Freibad Katzheide eine wichtige Funktion in der Freizeitlandschaft im Sport- und Begegnungspark hat.
Wir nehmen dieses klare Zeichen zum Anlass, die konkrete Entscheidung über das Freibad, die bisher für die Zeit nach Eröffnung des Sport- und Freizeitbades an der Hörn geplant war, vorzuziehen. Wir stimmen dem Anliegen des Bürgerbegehrens zu. Das bereits von der Ratsversammlung beschlossene Beteiligungsverfahren zur Weiterentwicklung des Freibades Katzheide soll dazu dienen, die Zukunft des Freibades jetzt zu diskutieren. Wir wollen dabei auch gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern besprechen, wie ein Betriebs- und Betreibermodell ausgestaltet werden kann, um den langfristigen Betrieb sicherzustellen.
Die bisherigen Schritte der Verwaltung, den Badebetrieb schrittweise wieder zu ermöglichen, haben sich als erfolgreich erwiesen. Wir werden uns deshalb weiterhin mit Nachdruck dafür einsetzen, die notwendigen Reparaturarbeiten am Schwimmerbecken rechtzeitig durchzuführen, sodass in der kommenden Saison auch in diesem Becken der Schwimmbetrieb wieder möglich ist. Die erforderlichen Arbeiten sind von der Verwaltung schon in Auftrag gegeben worden.“
Pressereaktionen
SHZ: Die Mehrheit steht: Rettung für Katzheide
Bericht der KN dazu. Anders als dort dargestellt kam die Meldung nicht überraschend, weil sie Stadtrat Stöcken schon am Montag auf einer Grünenveranstaltung bekannt gegeben hatte und es außerdem von einigen die taktische Einschätzung gab, dass die Ratsmehrheit einlenken wird (s.o.).
KN-Kommentar Martina Drexler zur Rettung von Katzheide