Nachfolgend wird eine geringfügig veränderte und gekürzte Pressemitteilung des Europäischen Parlaments dokumentiert.
Das Europäische Parlament hat am 21.5.2008 die Richtlinie „über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt“ verabschiedet. Erstmals werden die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, bestimmte vorsätzlich oder grob fahrlässig begangene Handlungen, die die Umwelt schädigen, als Straftaten zu betrachten und unter Strafe zu stellen. Die strafrechtlichen Sanktionen müssen wirksam, angemessen und abschreckend sein. Ziel der Richtlinie ist ein wirksamerer Schutz der Umwelt.
Der Berichterstatter des Europäischen Parlaments, Hartmut NASSAUER (CDU), sprach in der Debatte von einem „weit reichenden und bemerkenswerten Schritt“, denn namens der Europäischen Union sollen künftig auch Strafen ausgesprochen werden, und zwar „zunächst“ wegen Verstößen gegen das Umweltrecht. Eigentlich, so Nassauer, sei das Strafrecht der Europäischen Union entzogen.
Die Richtlinie definiere „tatbestandsmäßige Handlungen“, die künftig unter Strafe stehen sollen, erklärte Nassauer. „Nicht irgendein Umweltverstoß“, sondern der Verstoß gegen präzise in einem Anhang festgelegte Gesetze begründe eine mögliche Strafbarkeit – „die Keule des Strafrechts kann nicht gegen jeden auch noch so lächerlichen Verstoß geschwungen werden, sondern er muss von einigem Gewicht sein“. Deswegen sei „Bagatellunrecht aus der Strafbarkeit ausgeschlossen“ worden. Schließlich, betonte Nassauer, sei festgelegt worden, dass nur rechtswidriges Verhalten Grundlage für Strafbarkeit sein kann.
Vollständige Einhaltung des Umweltschutzrechts durchsetzen
Die Erfahrung habe gezeigt, so der Richtlinientext, dass die bestehenden Sanktionsregelungen nicht ausreichen, um die „vollständige Einhaltung des Umweltschutzrechts“ durchzusetzen. Diese Beachtung kann und sollte durch die Möglichkeit der Anwendung strafrechtlicher Sanktionen gestärkt werden. Derartige Sanktionen seien von einer „qualitativ anderen Art“ als verwaltungsrechtliche Sanktionen oder zivilrechtliche Schadenersatzleistungen.
Liste von Handlungen, die Straftaten darstellen
Um sicherzustellen, dass die Umweltschutzvorschriften ihre volle Wirkung entfalten, werden in der Richtlinie zahlreiche Handlungen aufgelistet, die als Straftaten zu werten sind, „wenn sie vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig begangen werden“.
Dazu zählen etwa die Tötung, Zerstörung, Besitz und Entnahme von Exemplaren geschützter wildlebender Tier- oder Pflanzenarten. Ebenso fallen darunter Herstellung, Bearbeitung, Verwendung, Besitz, Ein- und Ausfuhr sowie Beseitigung von Kernmaterial oder anderen gefährlichen radioaktiven Stoffen.
Als Straftaten zu werten sind auch die erhebliche Schädigung eines Lebensraums innerhalb eines geschützten Gebiets sowie Produktion, Ein- und Ausfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung von Stoffen, die zum Abbau der Ozonschicht beitragen.
Darüber hinaus sind gemäß der Richtlinie die Einleitung, Abgabe oder Einbringung einer Menge von Stoffen oder ionisierender Strahlung in die Luft, den Boden oder das Wasser strafbar, wenn dadurch der Tod oder eine schwere Körperverletzung von Personen oder erhebliche Schäden hinsichtlich der Luft-, Boden- oder Wasserqualität bzw. an Tieren oder Pflanzen verursacht werden.
Wirksame, verhältnismäßige und abschreckende strafrechtliche Sanktionen
Anstiftung und Beihilfe zu den genannten vorsätzlichen Handlungen werden unter Strafe gestellt. Auch müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass schwere Verstöße gegen die Umweltschutzvorschriften der EU mit „wirksamen, angemessenen und abschreckenden strafrechtlichen Sanktionen“ geahndet werden. Da die Richtlinie Mindestvorschriften enthält, können die Mitgliedstaaten strengere Maßnahmen für den wirksamen strafrechtlichen Schutz der Umwelt erlassen oder aufrechterhalten.
Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Oktober 2007
Das heutige Votum des Parlaments basiert auf einem zuvor mit dem Ministerrat ausgehandelten Kompromiss, in dem einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 23. Oktober 2007 Rechnung getragen wird. In diesem Urteil stellte der Gerichtshof fest, dass das Strafrecht und das Strafprozessrecht sowie die Bestimmung von Art und Maß der anzuwendenden strafrechtlichen Sanktionen zwar nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen. Allerdings könne die EU den Mitgliedstaaten vorschreiben, Sanktionen vorzusehen um sicherzustellen, dass die Gesetze ihre volle Wirksamkeit entfalten. In ihrem Vorschlag hatte die EU-Kommission zum einen einen harmonisierten Katalog von Straftaten vorgesehen, die von allen Mitgliedstaaten durch strafrechtliche Sanktionen geahndet werden sollten; zum anderen die Harmonisierung bzw. Angleichung der Sanktionen für besonders schwerwiegende Umweltstraftaten mittels Einigung auf einen gemeinsamen Rahmen.
REF: 20080520IPR29449