Autor: Gregor Dietrich
Wenn wir in Natur und Garten die Blumen betrachten, denken wir meist an Bienen als Bestäuber. Windbestäubung ist manchen geläufig. Aber auch Wasser, Säugetiere, Vögel, Reptilien und eine große Palette an Insektengruppen bestäuben unsere Pflanzen. Wer sie bestäubt, das verraten ihre Blüten, auch ohne dass wir die Tiere oder Naturgewalten dabei beobachten – was bei den Exoten oft garnicht möglich ist. So wollen wir die wichtigsten beschreiben.
Im Hochsommer, stehen die Blumenkistchen und Pflanzkübel mit ihren exotischen Gewächsen in voller Blüte. Wir finden hier eine große Vielfalt an Blütenformen- und Farben, doch vergleichsweise wenige Bienen. Dagegen summt und brummt es an winterharten Stauden. Was ist der Grund?
Wir sind gewohnt, dass unsere Blumen von Bienen angeflogen werden. Doch schon in der heimischen Flora sind Fliegen, Käfer und Schmetterlinge genauso bedeutsam. In den Tropen kommen noch andere Tiere dazu, die hier fehlen.
Unspezifische Blüten
Viele Blüten bieten sowohl Nektar als auch Pollen in reichen Mengen an. Alle möglichen Tiere finden sich hier ein. Bienen und Hummeln sammeln Nektar wie Pollen, Wespen und Fliegen den Nektar, Käfer den Pollen. Zu diesen nicht wählerischen Pflanzen gehören die Rose, soferne es sich nicht um überzüchtete nektar- und pollenlose Sorten handelt, der Mohn oder der Mexikanische Leberbalsam (Ageratum). Ganz so allgemein brauchbar sind aber auchg unspezifische Blüten nicht: Doldenblüter, wie etwa Wilde Möhre oder Dillkraut, produzieren in ihren kleinen Eizelblüten so kleine Nektartröpfchen, dass sich die Arbeit für größere Insekten kaum lohnt. Nur kleinere Käfer, Fliegen oder Wildbienen werden sich hier bedienen.
Da die Produktion von Pollen recht energieaufwendig ist, bieten viele Blüten nurmehr Nektar an und versuchen ihren in geringeren Mengen produzierten Pollen möglichst gezielt zu platzieren, so dass er den Tieren nicht mehr als Nahrung dienen kann. Dazu ist es aber auch notwendig, nurmehr bestimmte Bestäubergruppen anzusprechen.
Bienenblüten
Setzen Sie sich einmal vor einen Salbei (Salvia) – gleich ob Wiesen- oder Echter oder sonst eine blau- bis violettblütige Art –, so werden Sie fast ausschließlich verschiedene Bienen als Bestäuber beobachten können. Sie setzen sich auf die Lippe der Blüte und kriechen in den Schlund. Dabei neigen sich Staubblätter und Griffel nach unten und stäuben das Tier an einer bestimmten Körperstelle ein, bzw. nehmen den mitgeführten Pollen auf. Zu große Tiere kommen nicht zum Nektar, zu kleine nur dann, wenn sie klein genug sind als ganzes in den Bütenschlund kriechen zu können.
Schmetterlingsblüter wie die Edelwicke (Lathyrus odoratus) bieten auf dem Schiffchen der Blüte eine Landefläche, Pollen und Narbe gelangen bei genügend schweren Tieren von unten an den Hinterleib. Das Froschgoscherl oder Löwenmaul (Antirrhinum) hat eine maskierte Blüte: nur wer kräftig genug ist, kann sie offnen und eingringen, wer zu groß ist bleibt stecken.
Da Bienen im Violettbereich besonders gut sehen, reflektieren Bienenblumen UV und sind auch sonst meist purpurn (rot mit Blauanteil) bis violett gefärbt. Auch Gelb ist sehr attraktiv.
Schmetterlinge
Bei solchen Blüten haben Schmetterlinge keine Chance. Tagfalter benötigen einen mehr oder weniger horizontalen Landeplatz, deren Durchmesser die richtige Größe hat, dass ihn die Falter umklammern können. Für ihren Rüssel benötigen die Falter eine enge Röhre, der ihn direkt zum Nektar leitet. Der Prototyp solcher Stieltellerblüten sind wilde Nelken. Im Garten finden Sie Bart-Nelken, aber auch der Phlox ist eine typische Schmetterlingsblume. Sommerflieder (Buddleja) und ungefüllte Tagetes werden ebenfalls gerne genommen. Schmetterlinge sehen im roten Bereich besser – die zugehörigen Blumen sind purpurn bis orange.
Nachtgetier
In der Nacht haben bunte Blumen einen gravierenden Nachteil: je dünkler desto unsichtbarer. Deshalb blühen die meisten von ihnen weiß. Ein wichtiges Lockmittel wird hier aber der Duft. In einem sind die Nachtfalter den Tagfaltern gleich: sie mögen ihren Rüssel leitende Kronröhren. Im Gegensatz zu den Tagfaltern aber schweben die Nachtfalter vor der Blüte, die daher seitlich stehen, wie bei der Nachtkerze und bei der Weißen Lichtnelke.
Nicht alle Nachtblüher aber werden von Nachtfaltern bestäubt. Die großen weißen nächtlichen Trichterblüten mancher Kakteen (Cereus, Echinopsis, Selenicereus) haben einen ganz eigenen, für uns nach gährendem Obst riechenden oder auch nicht wahrnehmbaren nächtlichen Duft. Es sind Schwefelverbindungen, die besonders Fledermäuse reizen. Da Fledermäuse nicht zimperlich sind, mit Karacho in der Blüte landen, sich festkrallen und mit Kopf und Zunge gewaltsam ihren Weg zum Nektar suchen, müssen die Blüten nicht nur groß sondern auch sehr robust sein. Trotzdem werden sie mit der Bestäubung meist zerstört – sie haben ja ihre Schuldigkeit getan. Es gibt jedoch weitere Ansprüche der Fledermäuse an die Blüten: sie müssen Strukturen zum Festhalten bieten und dürfen nicht glatt sein, um mit Echolot von unerwünschten Hindernissen unterscheidbar zu sein. Bei den Kakteen besorgen beides die vielen schmalen Kronblätter. Dass die Farbe für Fledermäuse unwesentlich ist, zeigt die Glockenrebe (Cobea), mit ihren violetten, rauhen Blüten. Auch die Engelstrompeten (Datura, syn. Brugmansia) sind durch Härchen leicht rauh, ihre weichen Blüten werden aber durch die Fledertierkrallen durchlöchert, da hier nur das Einhaken in die Kronblätter selbst Halt gibt.
Vogelblumen
Im Gegesatz zu den geruchsempfänglichen Fledertieren sind Vögel ganz auf ihren Gesichtssinn ausgerichtet. Sie wollen kontrastreiche, knallige, möglichst reine Farben. Blau und Rot sind die Farben, die sie am besten sehen. Vogelblumen sind meist rot (bis orange oder knallig rosa), da Blau auch Bienen anlocken würde. Nur auf Hawai, wo es keine Bienen gibt, gibt es blaue Vogelblumen. In der Art der Nahrungsaufnahme unterscheiden sich die verschiedenen nektarfressenden Vögel. Auf dem amerikanischen Doppelkontinent sind es vorwiegend Kolibris. Wie Nachtfalter stehen sie vor der Blüte in der Luft. Sie besuchen daher vorwiegend seitlich abspreizende Blüten und wollen von Kronröhren gezielt zum Nektar geführt werden. In unsere Gärten haben es verschiedene Salbei-Arten wie die Salvie (Salvia splendens) und andere (S. elegans, S. fulgens, S. involucrata
) geschafft, oder die herrlich rote Kardinals-Lobelie (Lobelia cardinalis, syn. L. fulgens, L. splendens), die bei uns aber meist nur in hybridisierter Form (L. x gerardii, syn. L. x speciosa) in Erscheinung tritt.
In Afrika setzen sich Nektarvögel auf die Pflanzen. Sie brauchen Halt am Blütenstand und hängen so oft kopfüber an Aloe oder Fackellilie (Kniphofia), um ihren gebogenen Schnabel von unten in die hängenden Blüten einzuführen.
Weniger spezialisierte Vögel aber sind nicht so akrobatisch. Sie wollen was handfestes: Zweige, auf denen sitzend sie problemlos an die Blüten kommen, oder steife Blätter, die aus dem Blütenstand ragen, wie beim Löwenohr (Leonitis leonurus), einer schönen Kübelpflanze.
Illegitime Besucher
Aber auch wo die richtigen Bestäuber fehlen, wird es oft zu erfolgreicher Saatgutproduktion kommen. Am Beispiel von Sommerflieder und Tagetes sehen Sie, dass auch eigentlich recht typische Falterblumen von langrüsseligeren Bienen und Hummeln auch gerne angenommen werden. Engelstrompeten werden bei uns oft durch Nachtfalter bestäubt, Glockenreben durch Hummeln und auch die Salvien werden gelegentlich, aber ausreichend, von Bienen und Hummeln besucht. In großen Kakteenblüten, die ja auch viel Pollen produzieren, verrichten Käfer und Nachtfalter ihr Werk.
Ganz vorwitzige Gfraster stecken ihre Nase überall dort rein, wo es sie nichts angeht. Hummeln sind solch diebische Gesellen. An maskierten Blüten, für die sie zu groß sind, oder an Stieltellerblüten mit zu langem Stiel sind ihre Spuren zu finden: kleine Löcher werden in den Blütengrund gebissen – dort wo der Nektar ist. Auch Ohrschlüpfer begehen so Mundraub an den legitimen Bestäubern.