Stauden – Ceratophyllum

Ceratophyllum – eine alte Bekannte?

Autor: Gregor Dietrich

Einleitung

Im Aquarium ist Ceratophyllum sowohl im Kalt-, als auch im Warmwasser von Bedeutung. Als schnellwüchsige, freischwimmende und feinfiedrige Unterwasserpflanze ist sie eine gute Ablaichpflanze für eine Reihe von Oberflächenfischen. Glaubt man der aquaristischen Literatur, so ist lediglich C. demersum von Bedeutung.

Traditionellerweise wurden in der Gattung Ceratophyllum nur zwei Arten, C. demersum und C. submersum, unterschieden. Grund dafür ist die vegetative Merkmalsarmut einerseits – lediglich der Zerteilungsgrad der Laubblätter wurde beachtet – und die seltene Fruchtbildung andererseits. Die Früchte, die doch einige gute Merkmale zeigen, führten jedoch zur Beschreibung weiterer Arten nach deren Bestachelung, die der Bequemlichkeit (bzw. eines leicht fassbaren Einzelmerkmales) halber in der Folge maximal als Unterarten geführt wurden. Die Früchte sind allerdings oft auch innerhalb einzelner der Sippen variabel, sodass es scheinbar auch Übergänge zwischen den ‚Unterarten‘ gibt.
Diese Sicht der Dinge konnte sich lange halten, da fruchtende Pflanzen auch im Herbarium rar sind und keine klare Erfassung der Areale (Verbreitungsgebiete) der einzelnen Sippen zuließen. Ein weiterer Grund liegt darin, dass außer den offensichtlichen Merkmalen Blattschnitt und Bestachelung der Früchte gar nicht nach anderen Merkmalen gesucht wurde. So scheiterte auch die Revision der Gattung von Wilmot-Dear (1985) z. B. daran, dass alle Sippen auch unbestachelte Früchte ausbilden können. Auch das Nichtvorhandensein von Arealen, sondern das Vorkommen einzelner Sippen punktuell über die Weltkugel zerstreut, zeigt wie unwahrscheinlich ihre Einteilung in zwei Arten, zwei Unterarten und neun Varietäten ist.

Wie viele Arten beinhaltet die Gattung? – die Revision von Donald H. Les
Wesentlich genauer arbeitete Donald H. Les. Mit großer Genauigkeit und der Suche nach neuen Merkmalen tastete er sich langsam, in sieben von 1986 bis 1989 erschienen Arbeiten an eine Revision heran, deren Ergebnisse ein Durchbruch in der Systematik der Familie darstellen. Niemand konnte doch ernsthaft glauben, dass der Zerteilungsgrad der Laubblätter das alleinige evolutionär bedeutende Merkmal ist.

Sechs Arten, zu je zweien auf drei Sektionen aufgeteilt, umfasst die Gattung nach heutigem Wissen. Fünf Unterarten werden anerkannt.

Gliederung der Gattung

Die ursprünglichste Sektion ist die kleinfrüchtige, vorwiegend tropische Sektion Muricatum. Die Laubblätter sind drei- bis viermal gabelteilig. Zwei Arten und drei Unterarten enthält diese Sektion:
Ceratophyllum muricatum CHAMISSO ist pantropisch verbreitet, mit subsp. australe (GRISEBACH) LES vom südlichen Nordamerika bis nach Südamerika, subsp. muricatum von Äquatorialafrika, über das Nilgebiet und Indien bis zu den südpazifischen Inseln und subsp. kossinskyi (KUSENEVA-PROCHOROVA) LES in Ostasien

C. tanaiticum SAPJEGIN kommt von Südosteuropa (östliche Balkanhalbinsel) bis an die Nordküste des Kaspisees vor.

Die großfrüchtige Sektion Submersum mit ebenfalls drei- bis viermal gabelteiligen Laubblättern ist nordhemisphärisch verbreitet.

C. echinatum A. GRAY ist im östlichen und in einem relativ kleinen Gebiet des westlichen Nordamerika beheimatet.

C. submersum L. kommt in Europa und bis etwas östlich des Ural in Asien vor. Einzelfunde existieren auch im tropischen und nördlichen Afrika.

Nurmehr ein- bis zweimal gabelteilig sind die Laubblätter bei der Sektion Ceratophyllum mit großen Früchten.

C. demersum L. ist nach Les in der Alten und Neuen Welt weit verbreitet, fehlt aber in Ostasien. Als einzige Art kommt es auch in kalten Gewässern vor.

C. platyacanthum CHAMISSO ist in zwei Unterarten zu gliedern, die bisher hin und wieder aus Europa belegte subsp. platyacanthum und die ostasiatische subsp. oryzetorum (V. KOMAROV) LES.

Evolution

Wir können davon ausgehen, dass die ursprüngliche Frucht der Gattung etwa so ausgesehen hat wie heute noch die von C. muricatum: eine etwas abgeflachte Nuss mit Höckern auf der gesamten Oberfläche. Entlang des durch die Abflachung entstandenen Kiels stehen Stacheln. An der Basis der Frucht ist auf jeder Seite ein Stachel verlängert (Basalstachel), ebenso wird der Griffel an der Spitze der Frucht zum verlängerten Stachel (Endstachel). Bei C. muricatum variiert dieser Grundbauplan etwas: Subsp. australe entspricht obiger Beschreibung, bei subsp. muricatum sind Stacheln wie Höcker auf die obere Hälfte der Nuss konzentriert, unten lediglich die Basalstacheln üblicherweise gut ausgebildet. Bei subsp. kossinskyi stehen nur wenige Stacheln entlang des Kiels, dafür sind die Höcker fast stachelig vergrößert. Die Unterschiede sind aber relativ gering und die Merkmale schwanken auch innerhalb der Unterarten. Von ihnen allen gibt es Formen, bei denen die Stacheln mit Ausmahme des Endstachels stark oder völlig reduziert sind. Eine deutliche Fortentwicklung aber stellen die Früchte von C. tanaiticum dar, wo der Endstachel fehlt, die Basalstachel zurückgekrümmt sind und die Stachel entlang des Kiels geflügelt verbunden.

Noch größer ist der Sprung hin zur Sektion Submersum, wo die Frucht deutlich größer (> 5 mm) als bei der Sektion Muricatum (Arealkunde

Gut ins Bild von C. muricatum als ursprünglichste Art passt ihr pantropisches Areal. Dennoch sind hier Fragen offen. Etwa, ob tatsächlich Areallücken zwischen dem unteren Nil und Äquatorialafrika, zwischen Afrika und Indien und zwischen Indien und vereinzelten südpazifischen Inseln bestehen, oder ob diese auf mangelnhafte Dokumentation zurückzuführen sind, oder ob es zwischen subsp. muricatum und subsp. kossinskyi tatsächlich eine Areallücke oder doch einen Übergangsbereich gibt.

Unklar ist auch, wie die Funde von C. submersum in Afrika zu erklären sind. Fehlbestimmungen, Verschleppung durch Zugvögel oder ein durchaus in die Tropen reichendes Areal wären denkbar.

Ein großes Problem bereitet die Sektion Ceratophyllum. Les schlüsselt hier die Areale der Arten nicht auf. Nur C. platyacanthum subsp. oryzetorum hat ein isoliertes und somit gut fassbares Areal. Bei C. platyacanthum subsp. platyacanthum ist Les der irrigen Annahme, es handle sich um eine europäisch-atlantische Sippe. C. demersum wäre nach Les in fast ganz Europa und im Mittelmeerraum, bis nach Zentralasien und Indien, in Afrika südlich der Sahara mit Ausnahme des Kongobeckens und der südafrikanischen Wüstengebiete, auf Madagaskar, in Nordamerika und über die Gebirge Mittelamerikas und die Anden bis ins gemäßigte Südamerika verbreitet. Einzelne Funde gibt es im südpazifischen Raum, Australien und Neuseeland. Über große Teile des Areals fehlen aber bisher Herbarbelege mit Früchten, so dass diese spekulativen Verbreitungsangaben nur unter der Annahme beibehalten werden können, C. platyacanthum subsp. platyacanthum wäre eine europäische Sippe. Tatsächlich stammen alle Herbarbelege aus Europa, allerdings ausschließlich aus künstlichen Gewässern, weswegen andere AutorInnen (z.B. in der Flora Europaea) vermutet haben, es könne sich um Einbürgerungen handeln. Ein eigener Fund eines größeren Bestandes von C. platyacanthum subsp. platyacanthum im Voltastausee 1993 ließ erste Zweifel an Les Arealangaben aufkommen. In Österreich wurde C. platyacanthum bislang nicht nachgewiesen.

Welche Arten pflegen wir?

Durch den Fund in Ghana neugierig und Aufgrund meiner Arbeit für die Kritische Flora von Österreich und die Flora von Istrien, für die ich unter anderem die Ceratophyllaceae bearbeite, interessierte mich auch, welche Arten bei uns kultiviert werden. Daher wurden, neben der in meinem Gartenteich wachsenden ghanesischen C. platyacanthum, ab 1998 verschiedene Aquarienherkünfte sowie als Teichpflanzen verkaufte Individuen von Ceratophyllum in Kultur genommen. Als Kulturbehälter dienten schwarze Kunststoff-Mörtelwannen mit etwa 200 l Fassungsvermögen, die auf meinem südseitigen Balkon in Wien und im elterlichen Garten im nordwestlichen Weinviertel aufgestellt wurden.

Die Kultur erfolgte jeweils über einen Sommer und endete mit Frosteintritt. Neben der Bestimmung anhand der Früchte wurden weitere relevante Daten zur Unterscheidung der Sippen erhoben (Tabelle 1).

Insgesamt wurden bislang 20 verschiedene Herkünfte kultiviert. 3 Wildherkünfte, einer aus Ghana (Volta-Stausee, C. platyacanthum), einer aus dem Entlastungsgerinne der Donau in Wien (Neue Donau, C. demersum), und einer aus dem Zillerbach in Villach (C. demersum), wurden miteinbezogen. Ebenso 4 Handelsherkünfte, 2 aus dem Tierhandel (beide C. platyacanthum), 2 aus Gartencentern (beide C. demersum). 10 Herkünfte stammten aus privaten Aquarien (6 C. platyacanthum, 4 C. demersum), 3 aus Gartenteichen (2 C. demersum, 1 C. platyacanthum).

Schlußfolgerungen

Es scheint, als wäre in Aquarienpflanzengärtnereien C. platyacanthum verbreitet, in privaten Aquarien jedoch durchaus auch C. demersum, das vermutlich aus heimischen Wildherkünften stammt. Zum Glück ist in Gartencentern für Gartenteiche bislang ausschließlich das heimische C. demersum erhältlich, wobei leider gerade von Aquarianern oft Aquarienstämme in den Teich eingebracht werden, weswegen C. platyacanthum durchaus in Teichen anzutreffen ist. Von großem Interesse war die Population im Zillerbach. Dieser entspringt einer Thermalquelle (Warmbad Villach) und wurde seit jeher von Aquarianern benutzt, Überschüsse loszuwerden. Es hat sich eine tropische Flora etabliert. Dennoch: die im April 2002 angetroffene Population entpuppte sich nach ihrer Kultur im Sommer als C. demersum. C. demersum gilt bezüglich der Fruchtform als variabel. Dennoch erwiesen sich die Population im Wiener Entlastungsgerinne und die aus den Aquarien als der typischen Form angehörig. Die Population aus dem Zillerbach jedoch zeigte eine extrem lange Bestachelung. Es bleibt zu überprüfen, ob es sich um einen entkommenen Aquarienstamm handelt, oder ob andere Kärntner Wildherkünfte aus der Umgebung ebenfalls derartige Bestachelung zeigen. Die Aquarienherkünfte von C. platyacanthum sind ebenfalls recht einheitlich, die Pflanzen aus Ghana (ein Klon wurde mitgebracht) zeigen jedoch jetzt, keine 10 Jahre nach ihrer Einfuhr, in Teichkultur starke Variation. In Aquarienpflanzengärtnereien wie in Aquarien wird wohl ausschließlich vegetative Vermehrung vorkommen, im Teich scheint bei C. platyacanthum generative Vermehrung durchaus eine große Rolle zu spielen. Bei C. demersum dürfte, wie auch die fehlende Variation in situ angetroffener fruchtender Pflanzen zeigt, die generative Vermehrung eine untergeordnete Rolle spielen. Les kommt für C. demersum zum selben Schluss.

C. platyacanthum

Interessant ist nun die Frage nach C. platyacanthum und seinem tatsächlichen Areal. Worin liegt das Problem, diese Art in der Natur auszufinden? Zunächst sind da Probleme mit den Fruchtmerkmalen zu Orten. Im Gegensatz zu End- und Basalstacheln sind die Seitenstacheln anfangs nur als großer Höcker sichtbar und wachsen erst kurz vor der Reife (etwa 1 Tag vor dem Abfallen) zur vollen Länge heran. Lediglich durch Kälteeinbrüche sind mühelos voll entwickelte Früchte an der Pflanze zu finden. Die Unreifen Früchte jedoch können im Herbar den Eindruck von C. demersum erwecken. Die Winterknospenbildung von C. demersum (die einige Art der Gattung, die solche ausbildet!) – zeigt, dass es sich um eine Art der gemäßigten Breiten handelt. C. platyacanthum bildet solche nicht aus, was sie als wärmeliebende Art ausweist. In den Amerikas erweist sich C. demersum als typisch extratropische Art. In den Tropen ist sie auf Gebirge beschränkt. In Afrika, Indien und im Südpazifik allerdings ist das Areal eindeutig tropisch. Es scheint durchaus wahrscheinlich, dass dies das Areal von C. platyacanthum sein könnte.

Prinzipiell muss bei derartig mobilen Arten von Kernarealen gesprochen werden. Die Stacheln der Samen von Ceratophyllum sind dazu geeignet sich über lange Strecken im Gefieder von Zugvögeln und an deren Füßen zu halten, auch die Turionen von C. demersum eignen sich zum Transport zwischen Schwimmhäuten von Wasservögeln. Abgesehen von anthropogenen Verschleppungen – z.B. durch AquarianerInnen – sind also natürliche Verschleppungen zu erwarten, die das Arealbild verzerren und Einzelfunde von Arten auch weit außerhalb ihres Areales erklären können.

Aufruf

Weitere Daten sind sehr wünschenswert. Die alte Bekannte sollte daher von reisenden AquarianerInnen nicht übersehen werden. Aufsammlungen fruchtender Pflanzen oder die Kultur unter Freilandbedingungen (im Aquarium ist die Beleuchtungsstärke meist zu gering um zu Blütenbildung zu führen) wären wichtig, um die tatsächlichen Areale der Arten zu ergründen. Ebenso wäre zu ergründen, ob alle Arten bei uns überwintern können, was anscheinend der Fall ist. So ist C. muricatum in bulgarischen Reisfeldern eingebürgert, in Gebieten, in denen Frost auftritt. Für die Zusendung von Herbarbelegen fruchtender Arten sowie Lebendmaterial von Wildherkünften (nicht C. demersum aus Mitteleuropa) wäre ich dankbar.

Tabelle 1: Unterschiede zwischen Ceratophyllum demersum und C. platyacanthum subsp. platyacanthum.

Merkmal C. demersum; C. platyacanthum subsp. platyacanthum

Stacheln auf der Breitseite der Nuss -; +
Blütenbildung (Temperatur) bei niedr. T, bei höh. gehemmt; höhere T
Blütenbildung (Menge) wenige bis viele; reichlich
Fruchtansatz meist gering; reichlich
Winterknospen (Hibernakel od. Turionen) +; –

Zuerst erschienen in den Tagungsberichten des Internationalen Symposiums für Vivaristik Mensch-Tier-Umwelt in Litschau vom 27. September 2002.