Quelle: urgewald
Am Abend des 25. April wurde die Region um das geplante Atomkraftwerk Belene von einem Erdbeben in Höhe von 5,3 auf der Richterskala heimgesucht. Laut einem Bericht der Sofia Nachrichtenagentur brach in vielen Orten Panik aus. In den Städten Nikopol und Svistov, die nur wenige Kilometer von dem Standort des geplanten Atomkraftwerks entfernt liegen, verließen die Menschen ihre Häuser und verharrten über eine Stunde im Freien. Das Epizentrum des Bebens lag in der Vrancea Region in Rumänien. Von hier ging auch das große Erdbeben 1977 aus, bei dem in Svistov über 120 Menschen umkamen und rund 2/3 der Gebäude der Stadt beschädigt wurden.
„Die seismischen Risiken des Standorts Belene sind lange bekannt – hier hätte niemals ein Atomkraftwerk geplant werden dürfen,“ sagt die bulgarische Umweltschützerin, Albena Simeonova. „Das gestrige Beben ist eine erneute Warnung an RWE. Der Konzern muss sich umgehend aus diesem Projekt zurückziehen. Sonst ist die Gefahr groß, dass Bulgarien zum Standort eines neuen Tschernobyls wird,“ so Simeonova.
Auf der RWE Aktionärsversammlung am 22. April, hatte Jürgen Großmann erstmalig die Durchführung von seismischen Studien für Belene angekündigt. „Hier dokumentiert der Konzern das volle Ausmaß seiner Inkompetenz,“ sagt Heffa Schücking, Geschäftsführerin der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald. Seismische Studien müssten am Anfang und nicht am Ende des Planungsprozesses stehen, erklärt sie. Das Design jedes Atomkraftwerks wird stets für einen bestimmten Standort maßgeschneidert. Das gelte nicht nur für die Fundamente sondern auch für das empfindliche Innenleben der Reaktoren. Im Fall Belenes sei jedoch das detaillierte Design der Anlage vom russischen Kraftwerksbauer längst fertig gestellt und der Lizenzierungsprozess in Bulgarien ist bereits in vollem Gange. „Die Studien kommen viel zu spät und sind alles andere als ergebnisoffen. Aus unserer Sicht sind sie eine reine PR-Maßnahme, um aufgebrachte Aktionäre und den Aufsichtsrat zu beruhigen,“ so Schücking.
Tatsächlich kommt RWE zunehmend unter Druck, nicht nur von Seiten der Umweltorganisationen. Auf der Aktionärsversammlung trugen einige große Anteilseigner schwere Kritik an Belene vor. So hieß es z.B. in der Rede des Vertreters der Union Investment Gruppe, die 4,5 Millionen Aktien der RWE AG hält: „Die Beteiligung an diesem Kraftwerk ist unverantwortlich (…) Dass es das RWE-Management überhaupt erlaubt, dass der Konzernname in einem Atemzug mit dieser tickenden Zeitbombe in Verbindung gebracht werden kann, ist nicht nachvollziehbar.“ Auch die holländische Provinz Brabant hat schwere Bedenken. Sie blockiert derzeit den Verkauf des niederländischen Energieversorgers Essent an RWE. In der 12-stündigen Debatte im Brabanter Provinzparlament am letzten Freitag wurde Belene mehrmals als Beispiel für die unverantwortliche Investitionspolitik von RWE angeführt. In der letzten Woche hatten sich auf öffentlichen Diskussionsveranstaltungen auch Kommunalpolitiker aus Essen, Dortmund und Mülheim einhellig gegen die Kraftwerkspläne von RWE in Belene ausgesprochen.
Urgewald und andere Umweltorganisationen fordern von RWE einen sofortigen Rückzug aus den geplanten Atomprojekten an erdbebengefährdeten Standorten in Bulgarien und Rumänien. „Atomkraftwerke haben in Erdbebengebieten nichts zu suchen. Das sehen auch immer mehr Anteilseigner und Investoren des Konzerns so,“ sagt Schücking.