Leistungsbeschreibung zur Studie über die Rückholung des Atommülls aus der Asse muss nachgebessert werden
VertreterInnen von ROBIN WOOD und der AG Schacht Konrad haben heute auf einer Pressekonferenz in Wolfenbüttel das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) kritisiert. Das BfS hatte im Juli dieses Jahres die Leistungsbeschreibung für eine Machbarkeitsstudie zur Rückholung des Atommülls aus dem Einsturz gefährdeten Lager Asse II vorgelegt. ROBIN WOOD und AG Schacht Konrad halten die Leistungsbeschreibung für unzureichend und überfrachtet. Sie bezweifeln, dass auf dieser Grundlage eine seriöse Machbarkeitsstudie möglich ist und fordern daher das BfS auf, die Leistungsbeschreibung zügig zu überarbeiten.
„Die Machbarkeitsstudie soll nach Ansicht von ROBIN WOOD Optionen aufzeigen, wie der Atommüll aus der Einsturz gefährdeten Asse rausgeholt werden kann“, sagt Thomas Erbe von der Energie-Fachgruppe ROBIN WOOD. „Die Machbarkeitsfrage darf aber nicht mit der Frage verquickt werden, wo der Müll danach gelagert werden soll. Schon gar nicht kann eine Machbarkeitsstudie mal eben nebenbei ein gesamtes, neues Endlager-Konzept entwickeln, dass es bisher deutschlandweit nicht gibt. Das stellt eine komplette Überforderung dar. Hier muss das BfS nachbessern, damit sich eine eventuell notwendige Rückholung des Mülls nicht unnötig verzögert.“
Eine detaillierte Kritik der Leistungsbeschreibung finden Sie in dem folgenden Hintergrundpapier.
Hintergrundpapier
(als pdf-Datei)
Wolfenbüttel, den 28.8.2009
Wird die Rückholung des Atommülls als Option für ASSE II
noch ernsthaft verfolgt?
Monatelang musste das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) gedrängt werden, die Auftragsbeschreibung für die Machbarkeitsstudie zur Rückholung des Atommülls aus der Asse zu veröffentlichen. Kurz nach der Pressekonferenz des Asse-II-Koordinationskreises am 9.7.2009 wurde sie vorgelegt. Viel zu spät, um auf die längst laufende Gutachten-Erstellung Einfluss zu nehmen. Derartige Leistungsbeschreibungen legen aber fest, welche Fragen wie und mit welcher Intensität bearbeitet werden sollen.
Die Analyse der Leistungsbeschreibung zur Rückholung bestätigt die Befürchtungen von Bürgerinitiativen. Diese so genannte „Leistungsbeschreibung“ ist einerseits kaum detailliert und vernachlässigt die eigentliche Zielsetzung, andererseits wurde sie mit sachfremden Anforderungen stark überfrachtet. Insgesamt ist die Leistungsbeschreibung mangelhaft und kann nicht als vernünftige Grundlage für eine seriöse Machbarkeitsstudie bezeichnet werden. Das legt nahe, dass eine gleichwertige Betrachtung dieser Option nicht verfolgt wird.
1. Aufgabenstellung für Rückholungsstudie nicht detailliert und mit
falschem Ziel
Anlagenbauer Dr. Frank Hoffmann formuliert die üblichen Erwartungen an eine
Leistungsbeschreibung einer Machbarkeitsstudie: „Eigentlich müsste solch eine
Leistungsbeschreibung folgendes enthalten: eine detaillierte Aufgabenstellung mit klar definierten Ergebniserwartungen, einen detaillierten Terminplan mit Meilensteinen bezüglich der Abarbeitung des Auftrages, eine vorgegebene Dokumentenstruktur und ein festgeschriebenes Abstimmungsprozedere zwischen Auftraggeber BfS und dem Auftragnehmer. All dies vermissen wir schmerzlich. Die Leistungsbeschreibung zur Rückholung wurde im Stil eines Protokolls für ein internes Kick-off-Meeting, eine Auftaktveranstaltung zu Beginn eines Projekts, erstellt.“
Die Leistungsbeschreibung des BfS fordert lediglich, zu untersuchen, „ob und wie eine Rückholung der LAW-Abfälle möglich wäre und welche Konsequenzen sich daraus ergäben“. Demgegenüber fordern wir von einer Machbarkeitsstudie,
verschiedene konkrete machbare Wege zur Rückholung aufzuzeigen und zur
Entscheidung nebeneinander zu stellen.
2. Leistungsbeschreibung für die Rückholungsstudie mit
Anforderungen an Endlagerung befrachtet
Insbesondere die Überfrachtung der Leistungsbeschreibung kritisiert Thomas Erbe von Robin Wood Braunschweig: „Es ist absurd, was da von einer Machbarkeitsstudie zur Rückholung verlangt wird. Laut BfS soll die Studie ein Entsorgungskonzept liefern, welches ’die Behandlung, Zwischenlagerung und Endlagerung der Abfälle’ umfasst. Seit Jahrzehnten wird nun die ungelöste Endlagerproblematik diskutiert, und hier soll eine Studie zur Rückholung in wenigen Monaten auch noch die Endlagerung der radioaktiven Abfälle konzipieren? Das kann nichts werden!“
Bei den verschiedenen Optionen und auch bei der Rückholung geht es darum, eine radioaktive Kontamination der Asse und der Menschen in der Umgebung des Schachts zu verhindern. Dabei kann es grundsätzlich nicht Aufgabe für eine Machbarkeitsstudie zur Rückholung des eingelagerten Atommülls sein, Fragen des weiteren Umgangs mit diesem Müll zu behandeln. Solche Fragen sind erst anschließend zu lösen. Wiederholt wird diese Überfrachtung mit der Endlagerproblematik in der Anforderung des BfS an einen aufzustellenden Entsorgungsplan. Dazu heißt es wörtlich, es sollten „alle nötigen Maßnahmen und Genehmigungsschritte zur Abfallbehandlung (inkl. kont. Salz), zum Transport, zur Zwischenlagerung und zur Endlagerung“ enthalten sein. Fragwürdig ist auch, dass das BfS in diesem Zusammenhang die zu erwartenden Kosten u.a. für die Endlagerung abschätzen lassen will. „Immer wieder wurde uns gesagt, dass die Kosten bei der Suche nach der besten Lösung für die Asse keine Rolle spielen sollten. Warum sollen nun gerade hier Kosten geschätzt werden?“ fragt Andreas Riekeberg und stellt weiter fest: „Gerade bei der Lagerung des Atommülls für Zehntausende oder Hunderttausende von Jahren lassen sich doch überhaupt keine Kosten abschätzen. Der Atommüll wird die Menschheit noch für unabsehbare Zeit mit Sicherungskosten belasten.“
3. Weitere Überfrachtungen der Leistungsbeschreibung zur Rückholungsoption
Die Überfrachtung wird noch vergrößert durch den Auftrag des BfS, „neben den technischen Aspekten die nötigen genehmigungsrechtlichen Schritte zu beschreiben.“ Dazu Frank Hoffmann: „Als erstes ist doch eine saubere technische Lösung zu suchen. Wenn dann im Optionenvergleich eine Entscheidung getroffen wurde, können die genehmigungsrechtlichen Schritte immer noch recht zügig zusammengestellt werden. Grotesk mutet zudem die Vorgabe an, dass ’der Bericht nationale und
internationale Erfahrungen und Kenntnisse bei der Rückholbarkeit radioaktiver Abfälle sowie beim Rückbau kerntechnischer Anlagen zu berücksichtigen’ hat. Dies würde eine umfangreiche internationale Literaturrecherche erfordern, die in der zur Verfügung stehenden Zeit kaum geleistet werden kann.“
4. Fragwürdige Grundlagen für die Machbarkeitsstudie zur Rückholungsoption
Die Leistungsbeschreibung des BfS setzt verschiedene Studien voraus, die unzureichend oder unbekannt sind. Die wesentliche Grundlagen der Machbarkeitsstudie zur Rückholungsoption soll die sogenannte „Gutachterliche Stellungnahme zu einer Rückholung der in der Schachtanlage Asse II eingelagerten radioaktiven Abfälle“, das sogenannte Fichtner- Gutachten von 2006 sein, obwohl dieses Papier vielfach als ungeeignet diskutiert wurde.
Dr. Frank Hoffmann: „Diese Fichtner-Studie ist falsch konzeptioniert. Sie beschreibt zwei Extremlösungen, die man technisch so nie umsetzen würde, und ist nicht wie vom BfS suggeriert lediglich in ihrem Tiefgang unzureichend. Auch die angeführte Studie zur Rückholung der MAW-Abfälle von Hartmann und Feinhals aus dem Jahr 2008 wurde schon als ungeeignet diskutiert. Es ist ein Unding, diese beiden Schriften zur Grundlage für eine Machbarkeitsstudie zu erklären.“ Außerdem wird in der Leistungsbeschreibung gefordert, das Radionuklidinventar der eingelagerten Abfälle nach der Studie von Gerstmann, Meyer und Tholen von 2002 zu berücksichtigen – ungeachtet dessen, dass keine Unterlagen über die Einlagerungen der späten 60er Jahre existieren und somit zum Teil gar nicht bekannt ist, wo welche gefährlichen Stoffe liegen. Vor einer zumindest stichprobenartigen Überprüfung des Atommülls auf sein reales Radionuklidinventar muss als offen gelten, in welchen Atommüll-Kammern was genau lagert. Spätestens durch die Diskussionen um hochradioaktiven Müll, die 25 Fässer von Siemens und um die Tierkadaver ist deutlich geworden, dass die Inventarbestimmung von 2002 Lücken aufweist, auf die die Konzepte der Machbarkeitsstudien vorbereitet sein müssen.
Weiterhin wird die Rückholbarkeitsstudie von J. Feinhals aus dem Jahr 2006 zum Atommüll-Lager Morsleben angeführt. Diese Rückholbarkeitsstudie ist noch nicht öffentlich bekannt. „Wir fordern ihre umgehende Veröffentlichung, damit ihre Ergebnisse ungehindert in die weitere Diskussion einfließen können“, meint Ursula Schönberger von der AG Schacht Konrad.
5. Abschließende Beurteilung und Vorschau
Die Leistungsbeschreibung ist von ihren Voraussetzungen, ihrer Struktur und ihrem Gehalt her mangelhaft und stellt keine vernünftige Grundlage für eine seriöse Machbarkeitsstudie dar. Das Abstimmungsprozedere zwischen dem BfS als Auftraggeber und dem Auftragnehmer und eventuelle Nachbesserungen an der Leistungsbeschreibung sind nicht bekannt. So ist derzeit völlig unklar, auf welchem Stand sich der Anforderungskatalog befindet.
Hier hat das BfS noch einiges nachzubessern, um der selbstauferlegten
Verpflichtung zur Transparenz zu entsprechen. Dennoch ist der Schaden, der durch eine monatelange Verzögerung der Veröffentlichung der Leistungsbeschreibungen entstanden ist, kaum zu heilen. Wertvolle Zeit ist verloren gegangen. „Wären gleich im Februar alle Karten auf den Tisch gekommen, hätte die kritische Öffentlichkeit schon längst ihre Kritikpunkte formulieren können“, kritisiert Andreas Riekeberg die Hinhaltetaktik des BfS.
Thomas Erbe von Robin Wood: „Auch wenn wir vor übertriebener Hektik oder gar dem Verbreiten von Katastrophenstimmung warnen: die Zeit für die Asse drängt. Da eine eventuelle Rückholung zeitaufwändig sein dürfte, fordern wir, mögliche Schritte für eine Rückholung der MAW und der LAW – ob als reguläre Maßnahme im Rahmen der Schließung der Asse oder als Notfallmaßnahme – schon jetzt planerisch vorzubereiten.“
Quelle: Robin Wood