Frage: Stimmt es, dass vielerorts die Anzahl begrünter Flächen rückläufig ist?
Das kann ich nicht einfach so bestätigen. Fassadenbegrünung ist wohl eine so unbedeutende Marktnische, dass nirgendwo irgendwelche allgemeinen statistischen Daten darüber existieren.
Ich stelle aber subjektiv immer wieder fest, dass seit einigen Jahren mancherorts jedes Winterhalbjahr größere innerstädtische Fassadenbegrünungen ersatzlos verschwinden. In Köln sind das eine ganze Menge – vor allem dort, wo vor etwa 20 Jahren relativ viele Begrünungen neu angelegt wurden.
Ob dieser Verlust an stadtklimatisch relevanten Standorten irgendwie ausgeglichen wird, kann ich nicht beurteilen. Ich glaube, dass dies i.d.R. bei weitem nicht der Fall ist.
Inzwischen werden zwar auf dem Papier (u.a. Festsetzungen im Bebauungsplan nach $ 9 BauGB) recht häufig Fassadenbegrünungen gefordert, aber sehr oft wird noch nicht einmal deren Anlage geprüft. Das heisst: Es erfolgen immer wieder Bauabnahmen obwohl die amtlich geforderte Begrünung nicht existiert und wohl auch nie existieren wird. In zahlreichen anderen Fällen werden völlig unzulängliche „Alibibegrünungen“ als satzungsgemäß akzeptiert. Spätere Bestandsprüfungen sind vermutlich mindestens „äußerst ungewöhnlich“ so dass Verwahrlosung und baldige Entfernung einer vorgeschriebenen Fassadenbegrünung niemanden stört…. Entsprechend ist das oben genannte gesetzliche Instrument in der Praxis wohl eher ein Papiertiger. Wenn der Bauherr kein Geld für Fassadenbegrünung ausgeben will, kann er dies meistens auch vermeiden. Solange entsprechende Kontrollen nicht erheblich verbessert werden, entstehen durch entsprechende Bauauflagen eher mangelhaft und abschreckende als nützliche Fassadenbegrünungen. Gute Fassadebegrünungen sind nur von Bauherren zu erwarten, die ihnen einen wirklichen Wert beimessen.
Aufgrund meiner Beobachtungen und meiner Erfahrungen mit Projektierungen und Ausschreibungen gehe ich davon aus, dass die Zahl innerstädtischer Fassadenbegrünungen – also auch solche innerhalb typisch städtischer Wohnumfelder – seit einigen Jahren wirklich rückläufig ist.
Innerhalb neuer Wohn- und Gewerbegebiete mag es lokal erhebliche Steigerungen geben, aber diese Maßnahmen können vor allem „auf der grünen Wiese“ i.d.R. nur minimal zur Kompensierung der durch Bebauung verursachten Grünflächenverluste beitragen. Besonders die großflächige Versiegelung durch Hallen, Straßen und Abstellflächen erfordert eigentlich gleichzeitige und intensivste Nutzung aller verfügbaren Begrünungsmöglichkeiten.
Frage: Siehst du weitere Strategien fachlich gute und damit nachhaltige Begrünung voranzutreiben ausserhalb von Aufklärungsarbeit? Die Fachliteratur alleine kann das ja kaum bewirken – wen siehst Du in der Pflicht für diese Aufklärung?
Kurz: Die Umweltpolitik auf allen Ebenen – inzwischen also Kommune bis EU. Von dort müssen die Impulse kommen, dass in der Praxis nicht nur geredet und vorgetäuscht, sondern wirklich etwas Sinnvolles getan wird.
Außerdem denke ich, dass Fassadenbegrünung weltweites Interesse finden kann und dass unser hiesiges Know-how auf andere Situationen prinzipiell übertragbar ist. Hier denke ich vor allem an den Einsatz in sogenannten Megastädten in heißen, trockenen Klimaten.
Ganz ohne Aktualisierung der Informationsinitiativen wird aber nirgendwo allzuviel gehen – schließlich sollten derzeit noch häufigere Ausführungsmängel, möglichst ab sofort, vermieden werden. Hier sind allerdings weniger die Anbieter, als vielmehr Bauherren, bzw. Planer gefordert, die längst vorhandenen Kenntnisse auch vollständig zu nutzen. Das ginge auch, indem man öfter mal jemanden fragt, der wirklich etwas davon versteht. In anderen Ländern passiert das m.E. häufiger als hier. Als Beispiel könnte ich die Zusammenarbeit der Planungsgemeinschaft Burckhardt + Partner – Raderschall Architekten mit Fritz Wassman (Atelier für Oekologie und Gartenkultur und engagierter „Bauwerksbegrüner“) beim Projekt „MFO Park“ in Zürich anführen. Bei dieser Baumaßnahme dürfte es sich um die größte Laube der Welt handeln.
Zusätzlich zur Anwendung des Wissenstandes sind in mancher Hinsicht noch solche Kenntnisdefizite aufzuarbeiten, die allgemein Funktionen der Fassadenbegrünung betreffen.
Vor allem die stadtklimatischen und lufthygienischen Aspekte „richtiger“ Begrünung bedürfen m.E. – ebenso wie der Lärmschutz mit begrünten Wänden – ganz dringend spezieller Forschungen. Hier sind die bisher vorliegenden Ergebnisse m.E. noch von ausgesprochen geringer Aussagekraft, wenn nicht sogar eher spekulativ.
„Ein Baum macht noch keinen Wald“ und bisher hat man noch niemals auch nur eine einzige, nach derzeitigem Kenntnisstand optimal begrünte Straße untersucht. Das ist derzeit auch unmöglich, weil diese Voraussetzung nirgendwo repräsentativ besteht.
Also müsste zuerst einmal die Praxis eine solide Grundlage für solche Forschungen schaffen. Dazu wären „ein paar“ wirklich repräsentativ begrünte, bzw. durchgrünte Straßenabschnitte anzulegen, zu denen es möglichst auch vergleichbare unbegrünte Abschnitte geben sollte. Die geeigneten Arten und die verfügbaren Techniken müssten in statistisch brauchbarer Anzahl unter vergleichbaren Bedingungen für Forschungsprojekte verfügbar gemacht werden.
Solche Ausführungen hätten ganz nebenbei jenen Vorbildcharakter, der bisher fehlt und den „Werbung“ in Wort und Bild auch niemals ersetzen kann. Ich vertraue darauf, bzw. „träume“ davon, dass ein solcher Beitrag die mit Abstand wirksamste Förderung darstellt, weil er die Wirkung unmittelbar erlebbar macht…. Selbst erleben werde ich das aber wohl bestenfalls als ziemlich alter Mann – um 10 Jahre ab Bereitstellung von Geldern muss man schon rechnen, bis der mir vorschwebende Zustand einigermaßen erreicht ist.
Natürlich stellt sich die Frage nach der Finanzierung solcher Projekte. So etwas kann kein kommunaler Stadtgrün-Etat ohne zweckgebundene Aufstockung mit recht erheblichen Finanzmitteln initiieren. Die müssten wohl auch teilweise vom Bund oder den Ländern kommen. Aber auf jeden Fall wäre dieses Geld besser angelegt, als z.B. in steuerlicher Förderung von rund 50.000 fast wirkungslosen Rußpartikelfiltern für Diesel-Pkw….
Weiterer Forschungsbedarf besteht m.E. hinsichtlich Techniken zur Fassadenbegrünung. Hier sind Details der Kletterstrategien, tatsächlich auftretende Windlasten und die pflanzenverursachten Kräfte, also Zwängung und Auslenkung durch Dickenwuchs relevant für eine eventuelle weitere Optimierung der marktgängigen Produkte.
Fassadenbegrünung kann es nicht umsonst geben. Egal ob Selbstklimmer oder Gerüstkletterpflanze, die Standortvorbereitung und Pflanzung verursacht einen gewissen einmaligen Kostenaufwand. Später werden periodische Unterhaltungsmaßnahmen nötig, die nur bei kleinen, sehr niedrigen Begrünungen billig sein können. Die Unterhaltungskosten wachsen allgemein mit dem Fassadenbewuchs – oft bei Selbstklimmern aufgrund des Breitenwuchses in weitaus beachtlichere Dimensionen als bei Gerüstkletterpflanzen.
Während die Herstellungskosten einer Fassadenbegrünung bald vergessen sind, können dann nötige Schnittmaßnahmen durchaus jährlich vierstellige Eurobeträge kosten. Bei Gerüstkletterpflanzen lässt sich entsprechender Unterhaltungsaufwand i.d.R. durch eine wirklich optimale Abstimmung von Fassade, Kletterhilfe und Bewuchs auf einem dauerhaft zumutbaren Niveau halten. Die Kosten für den fachgerechten Schnitt, bzw. die teilweise Verjüngung einer einzelnen, gut anfahrbaren Gerüstkletterpflanze mit Höhe um 25 m am lichten Gerüst sollten aktuell noch unter 1000 Euro liegen können. Natürlich sind solche Arbeiten relativ kostengünstiger, je geringer die Höhe ist und je mehr Pflanzen bei einem Einsatz bearbeitet werden können.
Die aus Kreisen der Fassadenbegrünung befürwortenden „Theoretiker“ immer wieder geforderte „Entwicklung kostengünstiger Systeme“ wird es m.E. wohl kaum geben können. Die Anforderungen an die Systeme steigen immer noch und sogar der uralte, sich selbst montierende Siemens-Lufthaken wird von Jahr zu Jahr teurer…. Monteuren und Gärtnern wachsen auch immer noch keine Flügel….
Kostenminderung (bzw. hohe Preiswertigkeit) bei Fassadenbegrünung ist nur über den optimalen Einsatz angemessen hochwertiger Produkte möglich, mittels derer hohe Standzeiten der Begrünungsmaßnahme bei möglichst geringen jährlichen Kosten erreicht werden.
Zurück zur Frage: Die Umweltpolitik sollte – indem sie zweckgebunden Geld für Ausführungen und Forschung bereitstellt – die Rahmenbedingungen für Praxis und Forschung wieder verbessern. Die notwendige Öffentlichkeitsarbeit kommt dann von ganz alleine – erstens durch Diskussion, zweitens durch Erleben und dann durch Publikation neuer Erkenntnisse. Die durchaus auch geldwerten Vorteile der Fassadenbegrünung erführen so eine wirklich wirksame Förderung.
* Häuser mit grünem Pelz – ein Handbuch zur Hausbegrünung
Minke, Gernot. – Frankfurt/Main; Ed. Fricke, 1985
** Fassadenbegrünung – ein Beitrag zu Risiken, Schäden u. präventiver
Schadensverhütung. Althaus, Christoph, Patzer-Verlag, München 1987
und nachfolgende Arbeiten (Forschungsberichte)
Fortsetzung folgt