Mit freundlicher Genehmigung des Autors Gisbert Jäger spiegele ich seine Stellungnahme zum Projekt Megayachthafen. Dort finden Sie auch den Originaltext mit zahlreichen Bildern und Grafiken.
Warum diese Seite? Ich möchte der submarinen Landschaft vor dem Hindenburgufer „ein Gesicht“ geben, damit die Verantwortlichen für den Bau des Megayachthafens wissen, was sie vernichten. Wir sind an den Grenzen der Belastung unserer Natur angekommen. Das ist keine romantische Spinnerei. Es entspricht nicht mehr dem heutigen Denken , dass alles was wirtschaftlich machbar ist, auch durchgeführt werden sollte. Andererseits habe ich die Erfahrung gemacht, dass bei vielen Menschen gegenüber der submarinen Landschaft ein völliges Desinteresse vorhanden ist, weil es an Kenntnis über marine Ökologie fehlt. Man kann diese Dinge ja nicht sehen. Wenn es z.B. um Schweinswale geht, dann sind große Teile der Bevölkerung berührt. Diese ökologischen Zusammenhänge sind ja auch schwierig und weitgehend unbekannt. Darum sind sie auch so leicht zu vernachlässigen.
Bei diesem geplanten Bauvorhaben handelt es sich um einen massiven Eingriff in die Ökologie der Kieler Förde und den Lebensbereich vieler Menschen.
Das Hindenburgufer in Kiel ist eine der schönsten Straßen Deutschlands. Es bietet einen freien Blick auf die Förde und die Ostsee. Wer die verbauten Ufer des Mittelmeeres und der USA kennt,weiß diese Straße zu schätzen. Die Stadt Kiel sollte mit diesem einmaligen Geschenk der Natur ( Entstehung durch die Eiszeit ) wesentlich behutsamer umgehen und begreifen ,dass diese Straße für Kieler und Besucher etwas Einmaliges ist.Es ist ein Naherholungsraum für Kieler und Besucher. Viele große Sportveranstaltungen in Kiel werden durch das Hindenburgufer erst attraktiv.
Ein beträchtlicher Teil des Hindenburgufers ist in Gefahr. Die „Marina Planning and Development International“(MPDI) plant am nördlichen Hindenburgufer ein Yachthafenareal zu bauen, vor allem für Megayachten und mit umfangreichen Gebäudekomplexen. Dieses Areal müsste ausgebaggert werden,wodurch die ökologische Situation zum Nachteil der gesamten Binnenförde eindeutig verschlechtert wird. Es darf nicht sein, dass „Kiel-Sailing City“ „Kiel-Ökocity“ platt macht. Nach der Helsinki-Konventions Akte(HELKOM) , die alle Ostsee-Anliegerrstaaten unterschrieben haben, soll jeder Staat Ostseeschutzgebiete einrichten. Dieser Forderung ist Schleswig -Holstein nicht nachgekommen, weil es am Widerstand wirtschaftlicher Interessen gescheitert ist. Ein Meeresschutzgebiet wirkt auf ein Meeresökosystem wie eine Sparkasse.Es kann doch nicht sein, dass ein solches Gebiet in der Kieler Innenförde nun auch noch wirtschaftlichen Interessen geopfert wird. Ein Eimer des ausgebaggerten Sandes hat eine stoffwechselaktive Fläche wie ein Fußballfeld.Die Vernichtung dieser Fläche vor dem Hindenburgufer Nord hätte dieselbe Wirkung als wenn man aus dem Aquarium Binnenförde den Aquarienfilter herausholen würde. Das Aquarium würde trübe und stinken.
Dieser Uferbereich ist nicht nur „Schiet“, sondern eines der ökologisch wertvollste Gebiete der Kieler Innenförde. 40 % des gesunden Meeresbodens der schwer geschädigten Binnenförde würden durch die geplanten Baunaßnahmen vernichtet.
Im Gegensatz zu dem eigentlichen Fördegrund , der zwischen 8 und 13 m liegt und von mehr oder weniger totem Faulschlamm bedeckt ist, ist dieser Flachwasserbereich für die Binnenförde äußerst bedeutsam. Er hat eine REDOX-Schicht, d h. das Sediment hat eine sauerstoffhaltige Oberfläche ( kenntlich an der hellen Farbe des Sedimentes) durch die geringe Wassertiefe in dieser Region. Sie ist für den Energiefluß und Stoffkreislauf der Binnenförde bedeutsam.
Lebensräume im Flachwasser am Hindenburgufer
Die Fucus- oder Blasentangzone ist hier am nördlichen Hindenburgufer recht ausgeprägt. Das ist ökologisch bedeutsam, weil die Fucusbestände in der Kieler Förde und in der Ostsee durch die Eutrophierung der Ostsee in den tieferen Bereichen ausgestorben sind und nur bis zu 2m Wassertiefe in nennenswerten Populationen vorkommen. In den Fucusbeständen leben eine Vielzahl von Krebsen , Würmern, Fischen, die den Wasservögeln, vor allem im Winter, als Lebensgrundlage dienen.
Die Mytilus- oder Miesmuschelbänke sind in der Kieler Förde ein bedeutendes Biotop. Nicht nur von ihrer Ausdehnung her, sondern auch von ihrer Funktion. Zunächst haben sich auf den Muscheln und in dem Spaltensystem zwischen den Muschelschalen ökologische Nischen gebildet. Zum einen stellen die Muschelschalen auf dem weichen Sandboden ein wichtiges Hartbodensubstrat dar , das Tieren einen Siedlungsraum bietet , die sonst auf dem weichen Sandboden gar nicht vorkommen könnten. In den Nischen zwischen den Schalen lagert sich Sediment ab , das wiederum anderen Tieren als Nahrungs – und Wohnnische dient.Insofern stellen die Mytilusbänke ein ganz wichtiges Biotop in der Kieler Förde dar. Es ist laut Definition ein Riff.
Darüber hinaus haben sie als Planktonfiltrierer die Funktion eines Klärwerkes für die Kieler Förde.Die Klärfunktion der Mytilusbänke ist wichtig, weil die Planktonmenge in der Ostsee sich durch die Überdüngung der Ostsee (Eutrophierung ) in den letzten Jahren verfünffacht hat.Diese Planktonzunahme hat zu einer Faulschlammbildung in den unteren Bereichen auch der Kieler Förde geführt.Sie bildete die Ursache für eine drastischen Veränderung und Verarmung der Benthosfauna (Bodenfauna).
Bei dem Bau dieses geplanten Megayachthafens würden die reinigenden Mytilusbänke verschwinden. Nach Materialien der Landesregierung von Schleswig-Holstein würde die Vernichtung der Fauna auf einem Kilometer Uferstreifen eine Dienstleistung des Menschen an der Natur durch Bau von Kläranlageb erfordern, die täglich 30 000 Euro kosten würde.
Die Zostera-oder Seegraswiesen sind vielleicht die auffälligste Vegetationsform in der Kieler Förde.Mit ihren Wurzeln verfestigen sie das Sediment und schützen es vor der Erosion.In dem dichten Dschungel aus den langen , grünen Seegrasblättern leben viele Tierarten bis hin zur bekannten Seenadel.Neben vielen wirbellosen Tieren wie hübschen Nackt- und Gehäuseschnecken , Moostierchen , Hydrozoen ,vielen Kleinkrebse leben hier auch viele Fische , die sich von diesen ernähren.So eine Seegraswiese ist eigentlich eine Kita in der Förde, weil hier viele Jungfische ihren Unterschlupf finden.Auch die Heringsschwärme legen hier ihre Eier ab, und die jungen Heringe verweilen hier gerne noch einige Zeit im Schutz der Seegraswiesen.
Die weiten Sandflächen vor dem Hindenburgufer ,die man übrigens auch sehr gut bei Google Earth erkennen kann , scheinen nur auf den ersten Blick öde und leblos.Das „Leben blüht hier im Verborgenen“. Viele Muschelarten ,Krebsarten und Fische leben hier eingegraben im Sand. Diese Sandflächen sind sehr produktiv und bilden die Nahrungsgrundlage für unsere Wasservögel.So hat man herausgefunden, dass im Lauf eines Winters ungefähr die Hälfte der hier im Sand lebenden Muscheln in den Mägen der Wasservögel landen.Gerade an dieser Tatsache kann man ermessen, welche Beutung diese Flachwassersedimente vor dem nördlichen Hindenburgufer haben.Es sei noch einmal darauf hingewiesen , daß sich vor diesem Abschnitt des Hindenburgufers, der für das Megayachthafenprojekt vorgesehen ist, ca. 40% der Flachwassersedimente der Innenförde befinden
Diese „öden“ Sandflächen sind noch aus einem anderen Grunde für die Kieler Förde von großer Wichtigkeit.Diese Tatsache ist eng mit der meeresbiologischen Forschung in Kiel verbunden. In de 30er Jahren untersuchte der Kieler Zoologe und Meeresbiologe Prof. Dr. Adolf Remane die Sande in der Kieler Förde mikroskopisch. Er enteckte dabei einen neuen unbekannten Lebensraum mit völlig neuen Tierarten, das Sandlückensystem. Diese Forschung, die in dem Zoologischen Institut in der Hegewischstaße begann, ging von hier aus um die ganze Welt.
Öklologisch ist dieses Sandlückensystem für die Ökologie der Kieler Förde von überagender Bedeutung, weil es wie ein riesiges Filter wirkt, in das das Wasser hineingepresst wird , hier von der Sandlückenfauna gereinigt wird und als unbelastetes Wasser in das freie Wasser zurückkehrt. Die Bedeutung dieses Sandlückensystems für die Reinigung der Gewässer beginnt man gerade erst zu erforschen. Die Flachwassersedimente haben für den Stoffkreislauf und den Energiefluß eine große Bedeutung, auch weil die Schlickgründe für diese ööklologisch wichtigen Vorgänge immer mehr ausfallen.
Die Schlick- oder Schlammgründe sind schwer geschädigt.Durch die Planktonzunahme infolge der Eutrophierung und Verbauung der Ostseeufer wird das Plankton in diesen Tiefen nicht mehr abgebaut. Es kommt vor allem im Sommer zu abiotischen Zuständen, d h. dem Meeresboden fehlt der Sauerstoff. Es entstehen giftige Faulgase und Schwefel.Es kommt dadurch manchmal in der Kieler Förde zu einem riesigem Fischsterben , bei dem große Mengen von sterbenden ,faulenden Fischen abtransportiert werden müssen. Der Spaziergänger an der Kieler Förde wird so mit den Folgen einer verfehlten Umweltpolitik konfrontiert.Nach der geplanten Ausbaggerung des Areals, auf dem sich heute die für den Energiefluss und Stoffkreislauf wichtigen Flachwassersedimente befinden, würde sich dann eine ökologisch wertlose Faulschlammzone bilden.
Naturschutzrechtliche Fragen zum Projekt Megayachthafen
Sollte dieses Projekt “ Megayachthafen Realität werden sollen, dürfte es zum Konflikt mit den Naturschutzgesetzen kommen.
1.Im §1 des Landesnaturschutzgesetzes heißt es unter §§ 1,2 und 3 Bundesnaturschutzgesetz unter 3.1: “ Der Naturhaushalt ist in seinen rämlich abgrenzbaren Teilen so zu sichern, dass die den Standort prägenden biologischen Funktionen, Stoff und Energieflüsse sowie landschaftliche Strukturen erhalten, entwickelt oder wiederhergestellt werden.“ Wie oben dargelegt, sind die Flächen vor dem Hindenburgufer Nord ganz eindeutig für den Stoffkreislauf und den Energiefluss der Binnenförde von grosser Bedeutung.
2. Zu §1/ 3.8 heißt es, „dass Zur Sicherung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes die biologische Vielfalt zu erhalten und entwickeln ist. Sie umfasst die Vielfalt an Lebensräumen und Lebensgemeinschaften ,an Arten sowie die genetische Vielfalt innerhalb der Arten.“ Auch dieses trifft genau auf diese fragliche Gebiet zu
3. Zu den gesetzlich geschützten Biotopen zählen nach §1/5 h der“ Landesverordnung der gesetzlich geschützten Biotope(Biotopverordnung)“ Seegraswiesen und Makrophytenbestände.“ Diese Bestände sind geradezu charakteristisch für dieses Gebiet
4.Zu den geschützten Biotopen gehören §1/5 i Riffe.Dazu gehören eindeutig die Mytilusriffe als biogene Festsubstrate.
5. Zu den geschützten Biotopen gehören laut Definition der Landesverordnung §1/5 k „die artenreichen Kies-,Grobsand und Schillbereiche im Küstenbereich.“ Diese befinden sich vor dem nördlichen Hindenburgufer
6. Forderungen zu dem Ostseeschutz nach der „Internationalen Konventionen zum Schutz der Ostsee (HELCOM)“. Forderungen nach Artikel 15 : Er bezieht sich auf den Naturschutz in den Küstengebieten zum Schutz und Erhalt der natürlichen Lebensräume und der biologischen Vielfalt. Naturschutz im Ostseeraum wird definiert als Instrument zur Sicherung der Lebensgrundlagen, das den Schutz von Ökosystemen und ökologischen Prozessen in den Vordergrund stellt. Der Artikel folgt in wesentlichen Punkten der „Agenda 21 “ und der “ Konvention über die biologische Vielfalt “ von Rio (1992)
Um den Megayachthafen – eines der vielen tollen Projekte des grünen Bürgermeisters Todeskino – zu verhindern und das Hindenburgufer nachhaltig zu schützen haben sich viele Kielerinnen und Kieler in der Bürgerinitiative Rettet das Hindenburgufer zusammengeschlossen.