Nachfolgend wird eine geringfügig modifizierte Pressemitteilung des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) dokumentiert.
Weltweite Übersicht des IGB: Gewerkschaftsfeindlichkeit forderte im Jahr 2007 91 Menschenleben
Brüssel. Aus der diesjährigen Jährlichen Übersicht des IGB über die Verletzungen von Gewerkschaftsrechten gehen alarmierende Gewerkschaftsfeindlichkeit, gewerkschaftsfeindliche Gesetze, Einschüchterungen und Gewalt gegen die Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitnehmerschaft während des Jahres 2007 hervor. Weltweit wurden insgesamt 91 Gewerkschaftsvertreter/innen ermordet, weil sie sich für die Arbeitnehmerrechte eingesetzt hatten, wobei Kolumbien, wo 39 Menschen ihr Leben verloren, erneut das gefährlichste Land für Gewerkschafter/innen war. An zweiter Stelle stand Guinea, wo das Regime von Präsident Lansana Conté im Zuge der brutalen Unterdrückung der von den Gewerkschaften organisierten öffentlichen Demonstrationen gegen die Korruption und die Verletzungen grundlegender Rechte direkt für die Ermordung von 30 Gewerkschaftern verantwortlich war. In der Übersicht wird zudem eine erschreckende Zunahme der Gewalt in Guatemala festgestellt, der Gewerkschafter/innen verstärkt zum Opfer fielen: Vier Gewerkschafter wurden in dem Land ermordet, und es kam zu vermehrten Drohungen und Belästigungen.
Aus der Übersicht, in der Arbeitnehmerrechtsverletzungen in 138 Ländern aufgelistet werden, gehen zahlreiche beunruhigende Trends hervor, darunter Absprachen zwischen einigen Regierungen und Arbeitgebern, um den Beschäftigten ihre legitimen Rechte und eine Gewerkschaftsmitgliedschaft sowie eine gewerkschaftliche Vertretung vorzuenthalten. In 63 Ländern wurde über ernsthafte und systematische Belästigungen und Einschüchterungen berichtet. 73 Gewerkschafter/innen wurden während des Jahres 2007 inhaftiert, darunter allein 40 im Iran, wo die systematische Unterdrückung von Gewerkschaftsorganisatoren im Verkehrs- und Bildungswesen sowie in anderen Sektoren anhielt. In Marokko wurden 14 Gewerkschafter in Gefängnisse eingewiesen, in Birma, wo die Junta im Rahmen ihrer brutalen Unterdrückung jeglicher Schritte in Richtung auf Demokratie und Menschenrechte besonders hart gegen aktive Gewerkschaftsmitglieder vorging, waren es sieben.
„Die Unterdrückung legitimer Gewerkschaftsaktivitäten, die gemäß IAO-Übereinkommen garantiert sind, hielten auf allen Kontinenten unvermindert an. Es kam zu Mord, Gewalt und Folter, ebenso wie zu Belästigungen, Entlassungen und Inhaftierungen, um arbeitende Menschen daran zu hindern, Gewerkschaften zu organisieren und Tarifverhandlungen zu führen, um menschenwürdige Löhne und Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Viele Regierungen sind nur zu gern bereit, skrupellose Arbeitgeber entweder offen oder verdeckt dabei zu unterstützen, ihren Beschäftigten grundlegende Rechte zu verweigern“, kommentierte IGB-Generalsekretär Guy Ryder. „Die Regierungen haben entweder zu Hause oder im Rahmen ihrer internationalen diplomatischen, wirtschaftlichen oder handelspolitischen Beziehungen nicht genug getan, um die Arbeitnehmerrechte zu schützen“, fügte er hinzu.
In 15 Ländern wurden neue gesetzliche und administrative Maßnahmen im Widerspruch zu den Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation verfügt, hauptsächlich in Asien, aber u.a. auch im Tschad, in Ghana, Madagaskar, Mauritius, Tansania und Georgien, wo schätzungsweise 20.000 Beschäftigte von gewerkschaftsfeindlichen Arbeitgebern entlassen wurden, die von dem neuen Arbeitsgesetz des Landes profitierten, das den Beschäftigten selbst grundlegendste Schutzvorkehrungen verweigert. Weißrussland, „Europas letzte Diktatur“, beging weiterhin ernsthafte und anhaltende Gewerkschaftsrechtsverletzungen.
In Afrika griffen die Arbeitgeber in zahlreichen Ländern auf unzureichende Arbeitsgesetze zurück, um Gewerkschaftsspaltungen zu instigieren und zu fördern und von Arbeitgebern kontrollierte Gruppen anstelle einer legitimen Gewerkschaftsvertretung ins Leben zu rufen. Zu unverhohlener Gewerkschaftsfeindlichkeit kam es erneut in Simbabwe und Swasiland, die zudem auf einer Liste derjenigen Länder standen, in denen chinesische Betriebe oder von China finanzierte Projekte wegen schlechter Arbeitsbedingungen oder Ausbeutung ihrer Beschäftigten verurteilt wurden. Neben Guinea führt die Übersicht auch Äthiopien, Mosambik und Simbabwe als Länder an, in denen Gewerkschafter/innen ermordet wurden.
Aber auch in mehreren Industrieländern unterlagen legitime Gewerkschaftsaktivitäten weiterhin Beschränkungen, wobei vor allem den Beschäftigten im öffentlichen Dienst ihre Gewerkschaftsrechte verweigert wurden. In der Europäischen Union stellten zudem die Gerichtsurteile in den Fällen „Viking“ und „Laval“ eine erhebliche Gefahr für zuvor anerkannte Rechte dar, und die Regierungen Bush und Howard in den USA bzw. in Australien gingen noch entschiedener als zuvor gegen die gewerkschaftliche Organisierungsarbeit vor. Eine positive Entwicklung war die Wahlniederlage der Regierung Howard in Australien im November 2007, als die Wähler u.a. gegen deren kontroverse „Work Choices“-Gesetzgebung stimmten, die während des Wahlkampfes eine wichtige Rolle gespielt hatte.
In allen Regionen wurden Wanderarbeitskräfte ausgebeutet und Missbräuchen ausgesetzt, und häufig wurde ihnen das Recht auf eine Gewerkschaftsmitgliedschaft und auf eine gewerkschaftliche Vertretung abgesprochen. Viele der schlimmsten Fälle ereigneten sich im Nahen Osten, und zahlreiche Bauarbeiter kamen Berichten zufolge in Katar infolge erschreckender Lebens- und Arbeitsbedingungen ums Leben.
Wie in Freien Exportzonen (FEZ) anderswo kam es auch in den FEZ im Nahen Osten zu zahlreichen Arbeitnehmerrechtsverletzungen, und besonders hervorgehoben wurde dabei erneut die erschreckende Ausbeutung ausländischer Hausangestellter in der Region. In Saudi-Arabien, wo jede Form der Arbeitnehmerorganisation streng von den Behörden kontrolliert wird, wurden vier weibliche Hausangestellte aus Indonesien derart von ihren Arbeitgebern geschlagen, dass zwei von ihnen starben, und die Polizei holte die beiden anderen gewaltsam aus dem Krankenhaus. Zwei Gewerkschafter, von denen einer entführt und gefoltert wurde, wurden im Irak aufgrund ihrer Gewerkschaftsarbeit getötet.
Auch in Asien hatten Wanderarbeitskräfte unter Rechtsverletzungen zu leiden. In Südkorea unterdrückte die Regierung die Migrantengewerkschaft, und in Brunei, Thailand und Singapur wurde Wanderarbeitskräften ihr Vereinigungsrecht verweigert. Unter dem Militärregime in Pakistan wurden Gewerkschaftsaktivitäten ernsthaft beschränkt, und in Bangladesch wurden sie schlichtweg verboten. China wurde wegen weit reichender Rechtsverletzungen erneut hervorgehoben, und die nordkoreanische Diktatur hielt ebenfalls an ihrem absoluten Verbot einer legitimen gewerkschaftlichen Organisierung fest. Über Morde an Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern wurde wieder in Kambodscha und den Philippinen berichtet.
Lateinamerika war auch während des Jahres 2007 wieder der gefährlichste Kontinent für die Verrichtung von Gewerkschaftsaktivitäten, mit Morden, Entführungen, Morddrohungen und Überfällen in zahlreichen Ländern. Während die Zahl der Morde in Kolumbien im Vergleich zum Vorjahr leicht zurückging, scheiterten viele Mordversuche an Gewerkschaftern und andere Formen der Gewalt nahmen deutlich zu, wie etwa Zwangsvertreibungen, willkürliche Verhaftungen, illegale Razzien und Drohungen, vor allem in der Landwirtschaft, im Bildungs- und im Gesundheitswesen. Morde wurden zudem nicht nur in Guatemala, sondern auch in Argentinien, Brasilien, Chile, El Salvador, Mexiko, Panama und Peru dokumentiert.
In der Jährlichen Übersicht werden zudem zahlreiche beunruhigende Trends aufgezeigt, die während des Jahres 2007 immer deutlicher hervortraten und sich 2008 fortsetzten. Viele Regierungen verwenden eine sehr breit gefasste Definition „wesentlicher Dienste“, um vor allem den Beschäftigten im öffentlichen Dienst das Vereinigungs- und das Tarifverhandlungsrecht zu verweigern. Eine deutliche Zunahme der Unterdrückung von Arbeitnehmerrechten war im Mediensektor festzustellen, da sich Journalisten mit zunehmender Gewerkschaftsfeindlichkeit seitens der Regierungen konfrontiert sahen, die sich öffentlichen Untersuchungen entziehen wollten. Eine der besonders alarmierenden Entwicklungen, die sich durch den gesamten Bericht zieht, betrifft Maßnahmen sowohl nationaler als auch internationaler Arbeitgeber, häufig gestützt auf gesetzliche Bestimmungen, die darauf abzielen, unbefristete Vollzeitstellen in prekäre Beschäftigungsformen umzuwandeln, indem die Beschäftigten zu befristeten, Gelegenheits- und Teilzeittätigkeiten gezwungen werden, durch die ihre Löhne sinken, ihr Arbeitsplatz unsicher wird und sie einer ungerechten und willkürlichen Behandlung ausgesetzt werden, einschließlich der Gefahr, ihre Existenzgrundlage zu verlieren, ohne angemessene Vorwarnung oder Entschädigung. Viele Unternehmen haben diese Richtung eingeschlagen, indem sie reguläre Beschäftigte durch „Leiharbeitskräfte“ ersetzt haben, um sich Aufgaben und Pflichten zu entziehen, die sie andernfalls erfüllen müssten.
„Es werden globale Muster deutlich, wie etwa Prekarisierung und Outsourcing, die eine enorme Gefahr für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überall auf der Welt darstellen. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Gefahr mit der sich verschlechternden Weltwirtschaftslage noch zunimmt, und die Regierungen müssen verantwortungsvoll handeln, um in einer Zeit, in der dies für die Beschäftigten und die Wiederbelebung der Wirtschaft notwendiger denn je ist, für sichere und menschenwürdige Arbeitsplätze zu sorgen „, so Ryder.