Nachfolgend wird eine geringfügig modifizierte Pressemitteilung des Europäischen Parlaments dokumentiert.
Klimawandel stoppen, Emissionen vermindern
Wie wird das Europäische Emissionshandelssystem ETS, das einen wichtigen Beitrag zur Verminderung der europäischen Treibhausgase leisten soll, ab 2013 aussehen? Ende Januar präsentierte die Kommission einen Richtlinienentwurf, der auf eine Ausweitung des Systems auf weitere Industriebranchen und Treibhausgase sowie eine Verknappung der Emissionsberechtigungen abzielt. Parlamentsberichterstatterin Avril Doyle unterstützt die Vorschläge, macht im Detail jedoch eine Reihe von Änderungsvorschlägen.
Der europäische Emissionshandel wurde Anfang 2005 als Emissions Trading Scheme (ETS) durch die EU etabliert. Im Januar 2008 begann die zweite Phase, die bis Ende 2012 läuft.
Grundsätzlich ist die Idee des Emissionshandels, dass die Umwelt-Kosten durch Emissionen in die Preise einbezogen werden und Emissionen vor allem dort abgebaut werden, wo es am wirtschaftlichsten ist.
Der Handel mit Emissionsrechten soll einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass die EU ihre Verpflichtungen im Rahmen des Kyoto-Protokolls einhält. Die EU-Staaten haben sich gemeinsam verpflichtet, ihren CO2-Ausstoss bis 2012 (im Vergleich zu 1990) um 8% zu senken. Bis 2020 (dritte Phase des ETS) will die EU den Treibhausgasausstoß sogar um mindestens 20% senken, bzw. 30%, wenn sich auch die anderen Industriestaaten in einem Nachfolgeabkommen zu Kyoto dazu verpflichten.
Wie funktioniert das Emissionshandelssystem?
Das System ermöglicht den Handel mit Emissionsrechten und begrenzt gleichzeitig die Menge der erlaubten Kohlendioxid-Emissionen. Die am System beteiligten Firmen können Emissionsberechtigungen (sog. Zertifikate), die sie nicht benötigen, verkaufen. Firmen, die mehr emittieren, als es den ihnen zugeteilten Emissionsberechtigungen entspricht, müssen Zertifikate erwerben.
Aktuell werden Emissionszertifikate für eine Tonne CO2 für 22 Euro an speziellen Börsen gehandelt (Futures, d.h. Emissionsberechtigungen für die kommenden Jahre, kosten aktuell zwischen 29 und 34 Euro, je nach Jahr).
Das Emissionshandelssystem der EU war insbesondere in der ersten Phase vielfach kritisiert worden, u.a. weil es zu Gewinnmitnahmen gekommen war (s. Kasten).
Parlamentsberichterstatterin Avril Doyle (Europäische Volkspartei – Europäische Demokraten, EVP-ED) meint jedoch, dass das System, „das die Energieversorger und andere Industriesektoren abdeckt, die zusammen für fast die Hälfte der CO2-Emissionen der EU verantwortlich sind, zu Recht als ein Grundpfeiler der EU-Strategie gegen den Klimawandel bezeichnet wird“.
Neuerungsvorschläge für die dritte Phase
Der Vorschlag der EU-Kommission für die dritte ETS-Phase (2013-20) – Teil des im Januar vorgestellten EU-Klimaschutzpakets – zielt auf Verbesserungen, Vereinheitlichung und v.a. auf eine Ausweitung des ETS auf weitere Industriesektoren und Treibhausgase ab. So soll etwa die chemische Industrie und die Aluminiumproduktion und das dabei entstehende langlebige Treibhausgas Perfluorkarbon (PFC) sowie das wichtige Treibhausgas Distickstoffmonoxid (N2O oder Lachgas) einbezogen werden.
Statt wie bisher auf der Grundlage von nationalen Zuteilungsplänen festgelegten Obergrenzen soll es zukünftig eine EU-weite Begrenzung der Emissionszertifikate geben. Außerdem soll der Anteil der Zertifikate, die kostenfrei verteilt werden, sukzessive vermindert und die Zuteilung durch Auktionen zur Regeln werden. Die Gesamtmenge der Emissionsberechtigungen soll außerdem jährlich linear gekürzt werden.
Der Ball ist nun beim Parlament
Das Europäische Parlament ist in Sachen Umwelt mit den Regierungen der Mitgliedsstaaten (dem Rat der Umweltminister) gleichberechtigter EU-Gesetzgeber. Das bedeutet, dass das Parlament den Kommissionsvorschlag abändern kann und am Ende des Gesetzgebungsverfahrens eine Einigung zwischen Rat und Europaparlament erzielt werden muss. Aufgrund des Zeitdrucks in Sachen Klimaschutz und der Europawahlen im Juni 2009, wollen die EU-Organe das Gesetzgebungsverfahren möglichst bis Dezember zum Abschluss bringen.
Lob für Kommissionsentwurf…
Am 25. Juni hat die irische EU-Abgeordnete Avril Doyle den Entwurf ihres Berichts dazu vorgelegt. Doyle lobt den Richtlinienentwurf als „ausgewogen“ und meint, er werde das Europäische Emissionshandelssystem deutlich verbessern.
Gleichwohl sieht ihr Berichtsentwurf eine Reihe von Änderungsvorschlägen vor, mit denen sich der Umweltausschuss im Weiteren noch befassen wird – die Abstimmung im Ausschuss ist für Anfang Oktober vorgesehen, die Plenarabstimmung soll, Einigung vorausgesetzt, im Dezember erfolgen.
…. aber Änderungsvorschläge im Detail
So schlägt Doyle vor, dass 50% der Erlöse aus den Zertifikat-Auktionen (statt 20% im Kommissionsvorschlag) in den Umwelt- und Klimaschutz fließen sollten, wobei Doyle einen besonderen Schwerpunkt auf den Schutz der Wälder und die Wiederaufforstung legen will. Auch sieht der Bericht strengere Kriterien vor, welche CDM und JI-Projekte (siehe Kasten) im Rahmen des Systems anrechenbar sind.
Ähnlich wie von ihrem britischen Kollegen Chris Davies (sieh Link u.) angeregt, sieht der Entwurf vor, dass die Betreiber der ersten 12 Kraftwerke oder Industrieanlagen mit funktionierender Kohlendioxidabtrennung und Speicherung, die vor 2013 in Betrieb gehen, für ihre Vorreiterrolle mit kostenlosen Emissionszertifikaten belohnt werden.
Planungssicherheit, aber internationale Verhandlungen nicht erschweren
Wert legt der Berichtsentwurf auch auf Planungssicherheit für die betroffenen Industrien. Daher solle die EU-Kommission bis spätestens Ende 2010 mitteilen wie viele Emissionszertifikate in der dritten Phase versteigert werden. Die entsprechende Menge für das erste Jahr (2013) solle bereits im September 2009 bekanntgegeben werden.
Allerdings glaubt Doyle nicht, dass jene energieintensiven Industriezweige, in denen die Gefahr des „Carbon Leakage“ (s. Kasten oben) besonders groß ist und denen deshalb kostenlos Zertifikate zugeteilt werden sollte, bereits in der Richtlinie aufgeführt werden sollte. Denn dies würde aus ihrer Sicht die Chancen beeinträchtigen, die Verhandlungen über ein internationales Klimaschutz-Abkommen im nächsten Jahr erfolgreich abzuschließen.
Über Avril Doyle
Mit Umweltfragen ist die 1949 in Dublin geborene irische Abgeordnete bereits durch ihr Studium der Biochemie vertraut, dass sie 1971 abschloss. Bereits wenige Jahre später, mit nur 27 Jahren, wurde sie Bürgermeisterin der Kleinstadt Wexford in der Nähe von Dublin.
Als sie in den 80er und 90er Jahren abwechselnd Mitglied des irischen Unterhauses und Oberhauses war, setzte sie eine Familientradition fort, denn auch ihr Großvater und ihr Vater waren Parlamentsabgeordnete. Als sie 1999 ins Europäische Parlament gewählt wurde, konnte Doyle bereits auf Regierungserfahrung zurückblicken. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des Fischereiausschusses und Mitglied des Umweltausschusses sowie des Sonderausschusses zum Klimawandel.
ETS-Jargon dechiffriert
* CO2-Verlagerung oder „Carbon Leakage“ bezeichnet das Risiko, dass besonders energieintensive Produktion in Länder verlagert wird, in denen es kein Emissionsregime gibt, oder dass europäische Firmen aufgrund erhöhter Kosten Marktanteile an Produzenten in solchen Ländern verlieren. Dies wäre wirtschaftspolitisch und aus Sicht des Klimaschutzes kontraproduktiv.
* Clean Development Mechanism & Joint Implementation Mechanism: Möglichkeit durch Investition in Klimaschutzprojekte außerhalb der EU Emissionsgutschriften für das ETS zu erhalten. Die entsprechenden Mechanismen sind im Kyoto-Klimaschutz-Protokoll geregelt.
* Gewinnmitnahmen („Wind fall profits“): In der ersten Phase erzielten einige Energiekonzerne Profite, weil sie theoretische Kosten für die Zertifikate an Kunden weiterreichten oder nicht benötigte Emissionsrechte weiterverkaufen konnten, obgleich sie diese kostenlos erhalten hatten.
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