Gottlieb Konrad Pfeffel: Der Apfelbaum

Gottlieb Konrad Pfeffel:

Der Apfelbaum

In eines Bauers Garten stand
Ein schöner Apfelbaum; doch neigten Hang und Winde
Und Alter ihn zu weit nach linker Hand.
Der Bauer sahs; berief sein Hausgesinde,
Und hielt geheimen Rat. In diesem ward erkannt:
Den Baum mit umgelegten Stricken
Und mit vereinter Kraft ins Gleichgewicht zu rücken.
Man schritt zum Werk, das rasch von Statten ging.
Kein Wunder, zwanzig Ärzte zogen
So derb, daß sie den Stamm noch mehr zur Rechten bogen,
Als er zuvor sich nach der Linken hing.
Zum Teufel! fluchte Kunz, ihr seid so dumm als Pferde,
Der Baum soll aufrecht stehn. Nun schritten klein und groß
Zur zweiten Kur; allein die Wurzeln rissen los
Und krachend fiel der Baum zur Erde.

(1791)

Joseph Freiherr von Eichendorff: Nachtigall

Joseph Freiherr von Eichendorff:

Nachtigall

Nach den schönen Frühlingstagen,
Wenn die blauen Lüfte wehen,
Wünsche mit dem Flügel schlagen
Und im Grünen Amor zielt,
Bleibt ein Jauchzen auf den Höhen;
Und ein Wetterleuchten spielt
Aus der Ferne durch die Bäume
Wunderbar die ganze Nacht,
Daß die Nachtigall erwacht,
Von den irren Widerscheinen,
Und durch alle sel’ge Gründe
In der Einsamkeit verkünde,
Was sie alle, alle meinen:
Dieses Rauschen in den Bäumen
Und der Mensch in dunklen Träumen.

Friedrich Schiller: Der Baum

Friedrich Schiller:

Der Baum

Der Baum, auf dem die Kinder
Der Sterblichen verblühn,
Steinalt, nichts desto minder
Stets wieder jung und grün.
Er kehrt auf einer Seite
Die Blätter zu dem Licht,
Doch kohlschwarz ist die zweite
Und sieht die Sonne nicht.
Er setzet neue Ringe,
So oft er blühet, an,
Das Alter aller Dinge
Zeigt er den Menschen an.
In seine grüne Rinden
Drückt sich ein Name leicht,
Der nicht mehr ist zu finden,
Wenn sie verdorrt und bleicht.
So sprich, kannst du’s ergründen
Was diesem Baume gleicht?

Friedrich Hölderlin: Die Eichbäume

Friedrich Hölderlin:

Die Eichbäume

Aus den Gärten komm ich zu euch, ihr Söhne des Berges!
Aus den Gärten, da lebt die Natur geduldig und häuslich,
Pflegend und wieder gepflegt mit dem fleißigen Menschen zusammen.
Aber ihr, ihr Herrlichen! steht, wie ein Volk von Titanen
In der zahmeren Welt und gehört nur euch und dem Himmel,
Der euch nährt` und erzog, und der Erde, die euch geboren.
Keiner von euch ist noch in die Schule der Menschen gegangen,
Und ihr drängt euch fröhlich und frei, aus der kräftigen Wurzel,
Unter einander herauf und ergreift, wie der Adler die Beute,
Mit gewaltigem Arme den Raum, und gegen die Wolken
Ist euch heiter und groß die sonnige Krone gerichtet.
Eine Welt ist jeder von euch, wie die Sterne des Himmels
Lebt ihr, jeder ein Gott, in freiem Bunde zusammen.
Könnt ich die Knechtschaft nur erdulden, ich neidete nimmer
Diesen Wald und schmiegte mich gern ans gesellige Leben.
Fesselte nur nicht mehr ans gesellige Leben das Herz mich,
Das von Liebe nicht lässt, wie gern würd ich unter euch wohnen.

Conrad Ferdinand Meyer: Der Lieblingsbaum

Conrad Ferdinand Meyer:

Der Lieblingsbaum

Den ich pflanzte, junger Baum,
Dessen Wuchs mich freute,
Zähl ich deine Lenze, kaum
Sind es zwanzig heute.

Oft im Geist ergötzt es mich,
Über mir im Blauen,
Schlankes Astgebilde, dich
Mächtig auszubauen.

Lichtdurchwirkten Schatten nur
Legst du auf die Matten,
Eh du dunkel deckst die Flur,
Bin ich selbst ein Schatten.

Aber haschen soll mich nicht
Stygisches Gesinde,
Weichen werd ich aus dem Licht
Unter deiner Rinde.

Frische Säfte rieseln laut,
Rieseln durch die Stille.
Um mich, in mir webt und baut
Ew’ger Lebenswille.

Halb bewußt und halb im Traum
Über mir im Lichten
Werd ich, mein geliebter Baum,
Dich zu Ende dichten.

Johann Wolfgang von Goethe: Bäume leuchtend, Bäume blendend

Johann Wolfgang von Goethe:

Bäume leuchtend, Bäume blendend,
überall das Süße spendend,
in dem Glanze sich bewegend,
Alt und junges Herz erregend.

Solch ein Fest ist uns bescheret,
Mancher Gaben Schmuck verehret;
staunend schauen wir auf und nieder,
Hin und her und immer wieder.
Aber Fürst, wenn dir`s begegnet
Und ein Abend dich so segnet,
daß als Lichter, daß als Flammen
Vor dir glänzen all zusammen.
Alles, was du ausgerichtet,
Alle, die du dir verpflichtet:
Mit erhöhten Geistesblicken
Fühltest herrliches Entzücken.